Bürgerkrieg — Im Flugdienst für Irland — Hart am Tode vorbei — Auf neue Abenteuer aus — Mein erster Ozeanüberquerungsversuch — Das Zusammentreffen mit Köhl und Hünefeld.
Ich kehrte ins Zivilleben zurück und trat in London bei der Nordbritischen und Handelsversicherungsgesellschaft ein. Es folgten 18 Monate des Erfolges und der Fehlschläge, bis ich im Juni 1921 beschloß, mich wieder der Fliegerei zuzuwenden. Ich nahm eine kurze Indienststellung auf vier Jahre aktiven Dienstes und vier Jahre in der Reserve bei den britischen königlichen Luftstreitkräften an und wurde dem Einsitzer Kampfgeschwader Nr. 25, welches auf meinem alten Flugplatz in Folkstone stationiert war, zugeteilt und mit dem Einsitzer Sopwith Snipe ausgerüstet. Im August desselben Jahres kam plötzlich der Befehl meiner sofortigen Versetzung nach Indien. Die damalige Lage in Irland und die Tatsache, daß unsere kleine Tochter Pat kaum drei Monate alt war, zwangen mich, gegen meinen Willen von dem Dienstverhältnis zurückzutreten. Ich verließ deshalb die königlichen Luftstreitkräfte und kehrte wieder einmal zum Geschäftsleben zurück.
Bei Ausbruch des Bürgerkrieges in Irland 1922, kurz nach der Unterzeichnung des Anglo-Irischen Friedens, bot ich unverzüglich der Regierung meines Landes meine Dienste an und erhielt meine Bestellung zum Leutnant im Luftkorps der neuen irischen Freistaatsarmee. Im September 1922 wurde ich zum Fermoy-Flugplatz im Cork County kommandiert, von wo unsere Unternehmungen gegen die irregulären Streitkräfte im Süden Irlands ausgingen. Unsere Aufgabe bestand hauptsächlich in Erkundung, Beobachtung, Zugsicherung und Zusammenarbeit mit der Infanterie. Es geschah während dieser Zeit oft, daß ich bei Notlandungen im Gelände, das von Truppen nicht besetzt war, in Lebensgefahr geriet. Ich lernte auch mehr als einmal gelegentlich von Streifen durch das Land die Freuden und Leiden eines aus dem Hinterhalt Angegriffenen kennen.
Das aufregendste dieser Vorkommnisse trug sich im Oktober 1922 zu. Die Regierung hatte für die irregulären Truppen eine Generalamnestie erklärt und Straflosigkeit denen zugesichert, die bis zu einem bestimmten Tage ihre Waffen abliefern würden. Meine Formation hatte die Aufgabe, die Flugschriften mit der Amnestieerklärung über den Bergen Westcorks und County Kerrys abzuwerfen, um auch solchen davon Kenntnis zu bringen, die in den Zeitungen nicht davon gelesen hatten. Eines Sonnabend morgens flog ich von meinem Flugplatz in Fermoy in einem Einsitzer Martinsyde-Scout-Flugzeug (mit einem 300pferdigen Hispano-Suiza-Motor) und einer großen Ladung dieser Flugblätter, gebündelt in je 50, los, um diese über den KerryBergen zu verteilen. über den Bergen, außerhalb Killarney, Irlands schönstem Fleckchen Erde, setzte plötzlich mein Motor aus, und ich war zu einer Notlandung auf einem kleinen Feld außerhalb der Killarney-Irrenanstalt gezwungen. Den ganzen Sonnabend arbeitete ich an meinem Motor, und spät am Sonntagnachmittag war alles fertig zum Aufstieg. Killarney war zu dieser Zeit vollkommen abgeschlossen von der Außenwelt, da die Telephonleitungen zerstört waren und es damals in der Stadt noch kein Radio gab. Außerdem hatten starke irreguläre Streitkräfte die Stadt völlig eingeschlossen. Meinen Flugplatz von meiner Notlandung zu verständigen, war deshalb unmöglich. Man war dort um meine Sicherheit sehr beunruhigt und hatte von jeder Garnison Abteilungen ausgeschickt, die die Berge nach mir absuchten.
Ungefähr um fünf Uhr am Sonntagabend brachte ich mit Hilfe der am Platze befindlichen Soldaten meinen Motor in Gang und nach kurzem Anlauf gelang es mir, über einige große Kiefern am Ende des Feldes hinwegzukommen. Schon hielt ich mich für einen außergewöhnlichen Glücksvogel, weil ich nun wieder sicher in der Luft war, da begrüßte mich eine starke Garbe Maschinengewehrfeuers, das von einer Anzahl Irregulärer kam, die nur auf meinen Abflug gewartet hatten. Die Flügel und das Gestell meines Apparates waren durchsiebt von Kugeln, aber glücklicherweise bin weder ich noch irgendein lebenswichtiger Teil des Motors oder des Flugzeuges getroffen worden.
Bei Eintritt der Nacht gelang es mir, die Stadt Mallow, ungefähr 18 Meilen von meinem Flugplatz entfernt, zu erreichen, aber hier zwang mich wieder ein Motorschaden zu einer Notlandung etwa 2 Meilen außerhalb der Stadt. Als ich mir am nächsten Tage den Motor anschaute, mußte ich feststellen, daß ich das Flugzeug nur mit einem neuen Motor wegbringen konnte. Die Straßen waren jedoch, da an vielen Stellen Bäume darüber gefällt und alle Brücken zerstört worden waren, in einem unpassierbaren Zustand. Ich beschloß deshalb, die ganze Maschine auseinanderzunehmen und sie für die nächste Zeit in den nahen Militärbaracken aufzubewahren.
Nach Ausführung dieser Arbeit machte ich mich mit einem Wagen auf den Weg zu meinem Flugplatz in Fermoy. In Castletownroache, ungefähr halbwegs zwischen Fermoy und Mallow, mußte ich aussteigen, um Bretter über eine zerstörte Brücke zu legen, weil ich mit dem Wagen darüber fahren wollte. Es war schon dunkel, als ich in Gesellschaft eines Kuriers die Dorfstraße gegen die Brücke zu hinunterging. Da eröffnete auf eine Entfernung von ca. 20 Meter ein Mann, bewaffnet mit dem berüchtigten tragbaren amerikanischen Thompson-Maschinengewehr, Feuer auf uns. Wir kamen wunderbarerweise ungetroffen davon, wurden aber jetzt ein und eine halbe Stunde lang in einen Kampf mit etwa 200 Irregulären verwickelt. Glücklicherweise konnten wir uns davon machen und in derselben Nacht sicher nach Mallow zurückkehren. Am nächsten Tage traf ein Flugzeug von meinem Flugplatz ein, und ich flog heim nach Fermoy.
Nicht sehr lange danach hatte ich ein anderes aufregendes Erlebnis, wobei ich knapp am Erschossenwerden vorbei kam. Ich war auf dem Rückflug zu meinem Flugfeld, nachdem ich die Wesicork-Berge nach einem Rolls-RoyceWhippet-Panzerauto, welches verräterischerweise von einem in der Nationalarmee dienenden Schotten den irregulären Truppen in die Hand gespielt worden war, abgesucht hatte. Mein Befehl lautete, das Panzerauto durch Bombenabwürfe gebrauchsunfähig zu machen, sollte ich es in den Bergen entdecken. Meine Suche war zwar genau, aber vergebens. Ich flog so in der Richtung auf die Stadt Cork, da setzte plötzlich mein Motor aus und zwar über einem stark gebirgigen Gelände, das in lauter kleine, von dichten Hecken eingeschlossene Felder aufgeteilt war. Ich brachte es fertig, glatt zu landen, worauf ich die Entdeckung machen mußte, daß ich erst am Anfang der Schwierigkeiten stand; denn ich befand mich im Gebiete des Hauptquartiers sehr starker irregulärer Kolonnen. Ich machte mein Dienstgewehr, welches ich immer an der Seite meines Apparates für Notfälle wie eben diesen mitführte, los und erreichte das Dorf, wo ich in Erfahrung brachte, daß der nächste Militärposten vier Meilen entfernt am Halfway-Haus in der Nähe der Kinsale-Kreuzung stand.
Inzwischen hatte sich eine ganze Anzahl Leute um mein Flugzeug angesammelt, und fünf Minuten nach meiner Rückkehr war ich nicht mehr im Zweifel, daß diese Leute ihre Hauptaufgabe darin sahen, das irische Freistaats-Luftroß zu vernichten und mir das Leben nach Kräften sauer zu machen. Da ich allein stand, war es mir zunächst unklar, wie ich mein Flugzeug schützen sollte, bis ich die Militärbaracken erreichen und für einen richtigen Posten sorgen konnte. Einige der mehr draufgängerischen Kerle schwenkten bereits ihre Schaufeln und Harken. Der Augenblick zum Handeln war gekommen. Ich nahm mein bestes Irisch zusammen — es hatte während der vielen Jahre im englischen Dienst etwas gelitten — und warnte sie, daß das Flugzeug jeden Augenblick explodieren könne. Ich bemerkte sofort ein Nachlassen des Interesses an weiterer Untersuchung der Maschine von Seiten der Zuschauer, nahm dies als ein gutes Zeichen und lief zurück zum Dorf, in der Absicht, mir ein Fahrrad oder ein anderes Fortbewegungsmittel anzueignen, mit dem ich die vier Meilen, die mich von dem Militärposten trennten, zurücklegen konnte. Sobald meine Absichten bekannt geworden waren, wurde jeder Schubkarren versteckt. Ich wollte nicht mehr Zeit verschwenden, und so betrat ich den nächsten Bauernhof und suchte die Ställe nach einem gebrauchsfähigen Pferd ab. Ich hatte nicht sehr großen Erfolg; denn alles was zur Verfügung stand, war ein schwerer junger Ackergaul mit einem außerordentlich scharfen Rücken. Einen Sattel fand ich nicht, und so ritt ich auf dem blanken Pferderücken zum Halfway-Haus. Die Dämmerung war eben eingefallen, und ich kann nicht umhin, auszumalen, daß es ein außerordentliches Schauspiel gewesen sein muß, wie ich auf diesem edlen Renner die Straße einhergaloppierte, angetan mit Fliegerhelm und Brille und das Gewehr an meiner rechten Hüfte. Alles ging gut, bis ich die Vorhut der Militärstellung erreichte. über die Straße hatten die Truppen als Sicherheitsmaßnahme eine Barrikade errichtet. Der Wachtposten war ohne Zweifel zu Tode erschrocken, als er solch eine Erscheinung gegen seinen Stand zu galoppieren sah, und tat, was jeder andere unter diesen Umständen vermutlich auch getan haben würde, er feuerte dreimal auf mich und verfehlte mich zum guten Glück in seiner Angst.
Die liebe gute Nellie, oder wie dieser Ackergaul heißen mochte, prallte nicht schlecht erschrocken über den Empfang durch den Wachtposten zurück, während ich eine herrliche Scheibe für weitere Schüsse abgab. Mitglieder der Garnison, die den Vorgang mit großem Entzücken beobachtet hatten, sagten mir später, daß ich einen königlichen „Prince of Wales" über den Pferdehals geschlagen hätte, während ich behauptete, daß meine Lage unmittelbares Handeln erforderte, und ich mich von selbst auf die Straße warf, um einer Fortsetzung dieses wundervollen Willkommens, das mir zuteil wurde, vorzubeugen. Während mein vollblütiger irischer Ackergaul wild durch die Geographie galoppierte, brachte ich es fertig, den Wachtposten zu überzeugen, daß ich die ernste Absicht hätte, sein Lager zu betreten, um mit dem Kommandeur zu sprechen.
Schneller, als es erzählt ist, traf eine Abteilung Soldaten auf Fahrrädern am Schauplatz meiner Notlandung ein. Flammen züngelten aus dem Führersitz und auch unter der Motorhaube heraus. Es ergab sich, daß ein feindlicher irischer Landedelmann einen Haufen trockener Ginsterbüschel in den Führersitz und unter die Motorhaube gesteckt und angezündet hatte. Glücklicherweise fing der Betriebsstoff nicht Feuer; wir konnten den Brand löschen und somit die Maschine retten. Später wurde das Flugzeug abmontiert und auf dem Landwege nach meinem Flugplatz in Fermoy zurückgebrach t.
Im Anfang des Jahres 1923 erfolgte meine Beförderung zum Kapitän und Kommandanten der Abteilung, die am Fermoy-Flugplatz untergebracht war. Der Bürgerkrieg ging zu Ende; denn nahezu jede Stadt und jedes Dorf im Süden Irlands war von Militär besetzt und den Irregulären es somit unmöglich gemacht, ihre Kampfhandlungen fortzusetzen. Aktive Kampfformationen waren nicht mehr länger nötig, und deshalb um in der Richtung auf die irische Küste. Sogleich war es uns klar, daß wir unter Umständen sofort, nachdem wir die Küste erreichen würden, notlanden müßten und uns deshalb besser soviel Betriebsstoffes wie möglich entledigen sollten, um einen Bruch bei der Landung infolge zu schwerer Belastung vorzubeugen. Wir ließen deshalb einen der in der Kabine untergebrachten Behälter, welcher etwa 1000 Liter Betriebsstoff enthielt, mittels eines Gummischlauches durch ein Loch im Boden der Kabine auslaufen. — Wegen des sehr unsichtigen Wetters entgingen wir knapp noch der Gefahr, in die Klippen zu rennen, als wir auf die Küste von County Clare stießen. Aber die Schwierigkeiten begannen jetzt erst; denn die Westküste Irlands ist außerordentlich gebirgig und rauh und bietet nur sehr spärliche Landungsgelegenheiten. Außerdem war es unmöglich, über die Berge in das Inland zu gelangen, da die Wolken auf den Bergspitzen saßen und schwerer schottischer Nebel vorherrschte. Ich überlegte, daß unsere einzige Landungsmöglichkeit darin bestand, in der Mündung des Flusses Shannon niederzugehen. Wir richteten deshalb den Kurs nach Süden und hielten uns so nahe wie möglich an der Küste. Mit großer Anstrengung fanden wir schließlich unseren Bestimmungsort und konnten zu unserem Glücke feststellen, daß eben Ebbe herrschte. Wir bewerkstelligten eine glatte Landung am Strande in Bealestrand, ungefähr fünf Meilen von dem Seebadeplatz Ballybunion entfernt. Nach der Landung aber merkten wir, daß die Flut eingesetzt hatte, und die Räder unserer schweren Maschine in dem weichen Sand zu versinken drohten. Drei Stunden harter Arbeit, unterstützt von etwa fünfzig Bauern der Umgebung folgten, bis es uns gelang, das Flugzeug auf das Festland zu ziehen und es sicher für die Nacht festzupflocken. Wir erreichten das Hotel am Orte naß bis auf die Knochen, aber guter Dinge, in dem Gedanken, daß unser Flugzeug sicher und gebrauchsfähig geblieben war für einen weiteren Versuch, der, sollte das Wetter uns günstig sein, noch für denselben Monat geplant war. Unglücklicherweise aber blieben die Witterungsbedingungen schlecht, und die Maschine kehrte nach England zurück. Ich aber ging wieder an die Vorbereitung eines Fluges, wobei mir die Erfahrung bei unserem mißglückten Versuch zustatten kommen sollte.
Ich war sicher, daß der Frühling oder Sommeranfang dieses Jahres einen ganz-irischen Fluggast sehen würde, wurde aber in meinen Bemühungen schwer zurückgehalten; denn ich mußte während der Monate Oktober, November und Dezember einen Instruktionskursus für Offiziere an der Militärakademie im Curragh-Übungslager mitmachen. Die intensive Arbeit bei diesem Kursus nahm mich völlig in Anspruch, -und es blieb wenig Zeit für die Vorbereitung meines geplanten Flugs. Jeden freien Augenblick und jeden Wochenendurlaub widmete ich diesem Werk, aber nach meiner Rückkehr zum Baldonnel-Flugplatz Ende Dezember wußte ich, daß es einfach unmöglich sein würde, rechtzeitig mit allem fertig zu werden, um mit den vielen Unternehmungen, welche zu dieser Zeit nahezu in ganz Europa vorbereitet wurden, Schritt halten zu können.
Am 26. März gelangten Hauptmann Köhl und Freiherr von Hünefeld in ihrem Junkers-Eindecker „Bremen" auf meinem Flugplatz an, bereit, den Ost-West-Atlantikflug aufzunehmen, sobald die Witterungsbedingungen es gestatteten. Sie waren erst einige Tage da, als sie mich durch unseren gemeinsamen Freund, Herrn Klose vom Norddeutschen Lloyd, einluden, an ihrem Vorhaben teilzunehmen. Ich natürlich nahm hocherfreut die Gelegenheit wahr, und im Bewußtsein, daß ihr Flugzeug so gut, wenn nicht besser war als jedes andere, das man für einen solchen Flug nur herstellen konnte, und in der Überzeugung, daß Hauptmann Köhl in hohem Maße die Eigenschaften besaß, die zum Erfolg eines derartigen Unternehmens so notwendig sind, nahm ich ohne Bedenken an.