Die beschädigte „Bremen" - In Verbindung mit der Welt - Nach Murray Bay und zurück - Ein Wort über Floyd

Bennett - Ausblick in die Zukunft

 

Nachdem wir aus der Maschine geklettert waren, bemühten wir uns zunächst, uns so genau wie möglich ein Bild von dem ganzen Umfange der Beschädigung zu machen. Wir untersuchten das Flugzeug eingehend und fanden, daß die Propellerspitzen verbogen und das Untergestell geknickt war; aber dies war alles.

Unsere erste Arbeit bestand darin, den Schwanz der Maschine auf den Boden herunter zu lassen. Dies stellte sich als äußerst schwierig heraus; denn sogar mit Hilfe von dreien der Inselbewohner konnten wir es zuerst nicht vollbringen. Außerdem aber besaßen wir nicht das zu einer solchen Arbeit notwendige Gerät oder Werkzeug. Zu unserem Glücke preßte der scharfe Wind immer mehr auf den Schwanz der Maschine und zwang die Nase des Flugzeuges aus dem Eis, so daß wir fürchteten, der Schwanz möchte plötzlich auf den Boden aufschlagen und dabei einen nicht wieder gutzumachenden Schaden an unserem treuen Apparat verursachen. Drei Mann faßten an der Nase der Maschine an, um den Druck auszugleichen, ein Tau wurde um den Gleitsporn geschlungen, und schließlich war es uns geglückt, den Schwanz sanft zu Boden zu bringen.

Dies alles hatte etwa eine halbe Stunde gedauert, während der wir bitterer Kälte und einem schneidenden Windausgesetzt waren. Es wurde dann vorgeschlagen, daß wir uns in die bequeme Unterkunft des Leuchtturms begeben sollten, wohin Freiherr v. Hünefeld wegen eines kleinen Mißgeschickes bereits gegangen war. Als er nämlich aus dem Flugzeug stieg, war er zweimal ins Wasser gefallen und da­durch gezwungen gewesen, uns zu verlassen, um sich, bevor er zu Tode fror, zu trocknen. Hauptmann Köhl aber wollte, wie es einem guten Flieger geziemt, bei seiner beschädigten Maschine bleiben, und wir setzten daher unsere Arbeit fort. Schnee fiel und der Wind heulte, während wir das Flugzeug genau untersuchten und Anstrengungen machten, die Räder aus dem Wasser zu bringen, in der Absicht, den Apparat auf festen Grund zurück zu rollen. Wir holten einige Plan­ken und nahmen zum Anlüften Eisenstangen zu Hilfe. Als es uns eben gelungen war, das rechte Rad auf festes Eis zu ziehen, erfolgte ein lauter Schlag — als wir nachschauten, ergab es sich, daß die Achse in der Mitte gesprungen war. Es wollte uns fast das Herz brechen; denn mit den zur Ver­fügung stehenden Mitteln in Verbindung mit einer kleinen Schmiede im Leuchtturm hätten wir den Propeller gerade­biegen und unseren Flug nach New York fortsetzen können. Nach dem Zusammenbrechen des Untergestelles geriet die Maschine wieder in das Wasser zurück, und die Arbeit von nahezu zwei Stunden erwies sich als umsonst.

Da nichts weiter getan werden konnte, besorgten wir uns Taue, um die Maschine vor zerstörendem Wind während der Nacht zu sichern. Neue Schwierigkeiten tauchten auf. Das Einschlagen von Pflöcken war unmöglich, da der Boden infolge der in dieser Gegend herrschenden Kälte hart wie Felsen war. Schließlich sicherten wir das Flugzeug dadurch, daß wir die Taue an großen Felsblöcken befestigten, die am Rande der Lagune herumlagen. Das Kühlwasser wurde ab­gelassen, da der Kühler sonst durch das Gefrieren desselben stark beschädigt worden wäre, und der Motor für die Nacht mit einer Anzahl von Säcken zugedeckt und eingewickelt.

Ein Mann wurde angestellt, die Maschine während der Nacht zu bewachen, nicht, weil wir fürchteten, jemand würde sie stehlen, sondern um uns zu warnen, sollte der Sturm zu­nehmen. Als wir sicher waren, daß unser wackerer Appa­rat so gut wie möglich für die Nacht versorgt war, begaben wir uns zum Leuchtturm, wo uns unsere Gastgeberin, Madame Le Templier, mit jener reizenden Gastfreundschaft aufnahm, die den Franzosen, besonders den französischen Kanadiern eigen ist.

Unsere schafpelzgefütterten Fliegerstiefel und Strümpfe, die während des Arbeitens naß geworden und gefroren waren, so daß sie buchstäblich zwei Eisblöcken glichen, zogen wir nun aus und frische Strümpfe und Moccasins an. Jetzt war unser erster Gedanke, Telegramme und Kabel auf­zusetzen und nach Hause zu schicken, um die daheim von unserer glücklichen Ankunft auf dem amerikanischen Fest­lande in Kenntnis zu setzen. Man hatte uns gesagt, daß sich ein Telegraphenamt in Blanc Sablon, etwa zwei Meilen ent­fernt, befinde, das aber wegen des Schnees und Eises un­zugängig wäre. Freundlicherweise erbot sich der Leucht­turmwärter-Gehilfe, den Auftrag für uns auszuführen, und der Gedanke, daß die wartende Welt bald im Besitze der Nachricht von unserer Sicherheit sein würde, machte uns froh; denn wir wußten, daß wir lange überfällig waren und man sich um uns sorgen mußte.

Jetzt kam Mme. Le Templier mit der Mitteilung, daß der Tee fertig sei, und wir setzten uns zu unserer ersten richtigen Mahlzeit seit dem Tage vorher, wo wir um 434 Uhr morgens Frühstück und nur dazwischen belegte Brote genossen hatten. Zufällig war es auch unsere erste Mahlzeit in Kanada. Es wäre vergebliche Mühe, zu beschreiben, wie wundervoll uns dieses Essen mundete. — Äußerste Müdigkeit hatte uns nun übermannt und so führte man uns in das Schlafzimmer, worin zwei Betten standen. Freiherr v. Hüne­feld und Köhl nahmen das eine, ich das andere. Wir zogen uns aus, fielen ins Bett und waren im Nu eingeschlum­mert.

Um 12 Uhr mittags des folgenden Tages wachte ich auf und wurde von dem Freiherrn verständigt, daß Kühl nach drei oder vier Stunden Schlaf praktisch die ganze Nacht hin­durch am Zusammenstellen von Aufzeichnungen für wissen­schaftliche Daten etc., die er während des Fluges gesam­melt hatte und die ihm noch frisch im Gedächtnis waren, arbeitete. Hauptmann Köhl verdient für seine starke Wil­lenskraft, den Eifer für sein Werk und die Hingabe an das Unternehmen alles Lob.

Nach der langen Ruhe fühlten wir uns gut in Form mit Ausnahme von unseren Augen, die blutunterlaufen und vereitert waren. Dies kam daher, daß wir zusammen nur eine Brille zur Verfügung gehabt hatten, weil Köhl die seinige aus der Maschine verloren hatte. Aber nach einem Wasserbad ging es bedeutend besser, und sofort nach dem Frühstück begannen wir wieder mit der Arbeit. Das Flug­zeug stand genau, wie wir es verlassen hatten, nur das Wasser um das Fahrgestell war gefroren und unter dem Druck des Eises war der linke Reifen geplatzt. Wir besorg­ten uns große Petroleumfässer und Planken, auch einen be­trächtlichen Vorrat von Stämmen, und bei Eintritt der Nacht war es uns geglückt, das Gewicht der Maschine durch Bildung von Stützen unter den Flügelansätzen vom Fahr­gestell abzuheben. Dies war alles, was wir tun konnten, ­wir gingen zum Leuchtturm zurück und fertigten Kabel ab, worin wir um Beistand baten und die Junkers Corporation in New York von dem Umfang der Beschädigung an der Maschine verständigten und das Material und die Reserve­teile anforderten, womit wir die Maschine für die Weiter­führung des Fluges nach New York in Stand zu setzen gedachten.

Am Sonntag kam die Nachricht von der Point Armour Radio Station, daß „Duke" Schiller, der bekannte kanadische Pilot, Dr. Louis Cuisinier, technischer Direktor der Canadian Transcontinental Airways Company, und Eugen Thibault, ein Mechaniker in einem Fairchild-Flugzeug zu unserem Bei­stand unterwegs waren. Die Maschine sollte vor 5 Uhr an­kommen, und wir brachten die dazwischenliegende Zeit damit zu, Niederschriften über unsere Erfahrungen und Bedürfnisse vorzubereiten. Um 5 Uhr saßen wir im Leucht­turm, als wir das Knattern eines Flugzeuges vernahmen. Wir zogen unsere Sachen an und rannten hinaus. Die Ma­schine kreiste über der Insel. Eine Leuchtrakete wurde von ihr abgeschossen, und dann ging sie herunter, um auf der zugefrorenen Bucht, etwa eine Meile weit weg, zu landen. Auf Hundeschlitten fuhren wir hinüber, um die Männer zu begrüßen, die zu unserer Hilfe herbeigeeilt waren.

In der Besprechung, die wir in dieser Nacht abhielten, erfuhren wir, daß eine große Reihe von Falschmeldungen erschienen war und als Ergebnis der schlechten Telegraphen­verbindung und der gewaltigen Beanspruchung der Leitung infolge unserer Landung unsere Bedürfnisse nicht klar be­kannt geworden waren. Das Flugzeug sollte daher am fol­genden Morgen nach Murray Bay abgehen, und einer von uns sollte Herrn Schiller begleiten und dort Fräulein Hertha Junkers treffen, die, wie wir hörten, dann da sein wollte, und ihr unsere genaue Lage erklären, um die Fortsetzung des Fluges so bald wie möglich durchführen zu können. Ich wurde mit diesem Auftrage betraut. Am nächsten Tage ver­ließen wir um die Mittagszeit unter Zurücklassung Cuisi­niers und des Mechanikers Greenly Island. Cuisinier war um 5 Uhr morgens schon aufgestanden und hatte sich weitere Unterstützung besorgt, der er infolge seiner Kenntnis der Sprache und der Leute viel besser Anweisungen geben konnte, und hatte sich jedes Hundegespann und jeden Schlitten in der ganzen Umgegend zusammengeholt, um Material nach dem Schauplatze unserer Landung zu fahren. Er wollte das Wasser in dem Weiher durch Abgraben ablassen, so daß eine hölzerne Plattform unter der Maschine angebracht werden konnte, um dem Mechaniker das Ab­montieren des beschädigten Untergestelles und das Anbrin­gen des neuen nach dessen Ankunft leichter möglich zu machen. Zuversichtlich meinte er, daß er mit dieser Arbeit innerhalb zehn Stunden fertig sein würde. Es war mir nicht klar, wie er es in der angegebenen Zeit schaffen wollte, aber seitdem habe ich gelernt, daß er ausführt, was er sich vor­nimmt. Es war ein glänzendes Stück Ingenieurarbeit.

Kurz nachdem wir Greenly Island verlassen hatten, trafen wir auf Nebel und starken Schnee. Dazu wechselte der Ostwind, der zur Zeit unseres Abfluges geherrscht hatte, nach einer Flugstunde in Westwind. Dies hielt uns be­trächtlich zurück und zwang uns, in Natashquan, wo wir die beste Gastfreundschaft genossen und die Nacht über blieben, zu landen. Am nächsten Mittag flogen wir wieder in heulendem Sturm und starkem Schneefall ab und er­reichten Clarke City glücklich um 5 Uhr nachmittags. Wie­der mußten wir landen, und hier wurden wir von Herrn Collier, Direktor der Papiermühlen, aufs glänzendste auf­genommen.

Am folgenden Tage stiegen wir nach Murray Bay auf, wo ich Fräulein Junkers traf, der ich unsere ganze Situation erklärte. Mein Rückflug nach Greenly Island zu meinen Kameraden war nicht ganz ereignislos. Die Ersatzteile, mit denen, wie wir glaubten, die „Bremen" wieder hergestellt werden konnte, nahm ich in dem dreimotorigen Ford-Flugzeug, das uns zu Hilfe geschickt worden war, mit. Dieses Flugzeug war von der New York World und der North American Newspaper Alliance gechartert worden und in ihm hatte sich auf dem Wege zu uns Floyd Gennett die Lungenentzündung geholt, die seinen Tod verursachte. Wir verließen Lake St. Agnes, wollten in Seven Islands, Quebec haltmachen, Betriebsstoff aufnehmen und sofort nach Greenly aufsteigen, wo wir am Nachmittage einzutreffen

gedachten. Wir hatten Pech, denn der Betriebsstoff, den wir in Seven Islands antreffen sollten, war nicht da. Zei­tunis-Flugzeuge hatten ihn aufgebraucht, und um den nächsten vom Dorfe herbeizuschaffen, benötigten wir zwei Stunden. In der Zwischenzeit hatte die Sonne den Schnee geschmolzen und es war zweifelhaft, ob wir würden auf­steigen können. Nichtsdestoweniger machten wir den Ver­such. Zweimal sausten wir zwei Meilen weit über den Schnee, konnten aber nicht in die Luft kommen. So gaben wir auf und beschlossen, die Nacht da zu bleiben, in der Hoffnung, daß Frost einsetzen und die Oberfläche dann hart genug würde. An diesem Abend waren wir vom Bürger­meister und den Ortsansässigen eingeladen, die uns mit jeder Rücksicht behandelten. Am nächsten Morgen um 6 Uhr warfen wir den Motor an, kamen glücklich ab und erreichten Greenly ohne weitere Zwischenfälle.

Ich war überrascht, nach meiner Rückkehr zu sehen, daß die „Bremen" nicht mehr da stand, wo sie bei unserer Landung von unserem Irland-Flug durchs Eis gebrochen war. Dr. Louis Cuisinier und höhl hatten ein beachtliches Stück Arbeit vollbracht und sie auf die Eindämmung ge­zogen. Auch das Wasser vom Reservoir hatten sie abge­lassen. Die Maschine stand fein säuberlich da, der beschä­digte Propeller war abgenommen und das Untergestell eben­falls entfernt worden. Alles war für die Reparaturarbeit bereit.

Der Junkers-Mechaniker Ernst Köppen verlor keine Zeit. Ohne einen Bissen zu essen, ging er an das Ausbiegen des Propellers und hämmerte in der kleinen Schmiede im Leuchtturm auf Greenly darauf los. Dann schraubte er ihn an die Welle wieder an und begann, das neue Untergestell, das wir mitgebracht hatten, anzumontieren. Die ursprüng­liche Absicht, vom Reservoir aus aufzusteigen, wurde auf­gegeben. In der Bucht war das Eis besser, und wir wußten, daß wir ohne Schneekufen eine lange Anlaufbahn brauchen würden. Aber die „Bremen" stand auf der Spitze einer sehr steilen Neigung, und nun mußten wir sie wieder herunter­bringen. Es war offenbar unmöglich, sie auf ihren Rädern herunterzulassen, — wir benutzten Hundeschlitten, wovon wir einen unter jedes Rad setzten, und begannen sie vor­sichtig auf das Eis in der Bucht zu ziehen. Es war dieses nicht leicht und beanspruchte drei Stunden. Als sich nun die Maschine sicher auf dem Eise befand, beschlossen wir für diese Nacht mit der Arbeit aufzuhören. Als Ergebnis einer Beratung kam man zu dem Beschluß, daß der beste Platz für einen Aufstieg vom Eise abseits von Long Point auf dem Festlande, ungefähr eine Meile entfernt, sein würde. Ein Eingeborener war zum Schutze des Flugzeuges während der Nacht aufgestellt worden.

Die Verhältnisse am nächsten Morgen schienen außer­ordentlich gut. Um 5 Uhr wurde geweckt und dann fingen wir an, die „Bremen" über das Eis zu ziehen. Dreimal brach sie an weichen Stellen im Eise ein, und wir mußten sie wieder hoch ziehen und auf Hundeschlitten setzen. Wie­der begannen wir zu schieben, dieses Mal erfolgreich, und schließlich gelangten wir auf glattes Eis, das mit der Strandlinie parallel lief. Wir machten Feuer an, um das Öl und den Motor anzuwärmen. Ein großes Gefäß zum Wasserkochen wurde beschafft. Dann nahmen wir die Zündkerzen heraus, die sehr verschmutzt waren, und reinig­ten sie gründlich. Auch den Magneten putzten wir, nahmen den Verteiler ab und den Vergaser und reinigten sie eben­falls. Dann wurde Betriebsstoff eingefüllt. Um 8 Uhr früh war alles fertig zum Anwerfen des Motors. Wir versuchten es ... ohne Erfolg. Er puffte ein paarmal, wollte aber nicht durchziehen. Das kam daher, daß der Motor eine sehr hohe Kompression hatte, ein Verhältnis von 1 : 7, und wir konnten außer auf zwei Zylindern keine Kompression her­vorbringen. Wir meinten, daß das Fett, welches wir nach dem Bruche durch das Eis an die Ventile geschmiert hatten, in den warmen Tagen geschmolzen, die Ventilstangen heruntergetropft und in die Steuerung gelaufen sein könnte. Später dann wieder verdickt, mochte es die Ventile am richtigen Arbeiten — außer bei zwei Zylindern — gehindert haben. Einen ganzen Tag lang arbeiteten wir daran und benutzten sogar Lötlampen, um die Ventile frei zu bekom­men, aber ohne Erfolg.

Dieser Abend brachte alle Anzeichen eines kommenden Sturmes. Wir beschlossen, die „Bremen" vom Eise weg in den Schutz des Hafens von Long Point zu ziehen. Dort sicherten wir sie vor dem Sturm, der, wie wir wußten, kom­men würde, und wir hatten uns nicht getäuscht. Bevor wir noch mit unserem Werke fertig waren, setzte Schneefall ein, dann kam ein Wind auf, der weitere Betätigung in dieser Nacht unmöglich machte. Viel von unserem Optimismus war dahin. Wir hatten gemeint, nach Anbringen der Er­satzteile ohne weitere Verzögerung aufsteigen zu können, und nun mußten wir erst wieder eine Konferenz halten. Wir befanden uns nicht länger in unserer Unterkunft in Greenly Island, sondern waren auf dem Festlande einquar­tiert. Der Freiherr und Köhl wohnten im Hause des Tele­graphenbeamten und ich in dem des Gemeindepfarrers, aber wir aßen im Hause des Telegraphenbeamten alle zu­sammen, so auch an diesem Abend.

Hier möchte ich ein Wort über Floyd Bennett sagen. Bevor er mit dem Hilfsflugzeug nach Lake St. Agnes kam, hatte ich ihn nie gesehen. Als ich wegflog, hatte ich keine Ahnung, daß er so krank war. Sein Tod überfiel mich wie ein Schlag. Die Fliegerei wird ihn schwer vermissen — er hat so viel für sie getan. Sein Verlust ist unersetzbar; die Nachricht von seinem Tode hat auch die anderen stark erschüttert.

Wir waren überglücklich über unsere Wiedervereini­gung gewesen; denn als ich Greenly Island verlassen hatte, war es in der Meinung, nach zwei Tagen zurück zu sein. Es dauerte länger, und meine Kameraden zeigten mir deutlich ihre Freude über meine Rückkehr. Viele nützliche Sachen hatte ich mitgebracht; sie entbehrten so viel und hatten nicht einmal die notwendige Kleidung. Ich brachte Zigarren und Delikatessen, reine Unterwäsche und Hemden. Die erste Nacht zusammen im Leuchtturm feierten wir ein Fest. Wir glaubten sicher, am Morgen in der „Bremen" wieder aufsteigen zu können. So fühlten wir uns völlig glücklich und feierten mit Essen, Bier und Wein, Zigarren und Zigaretten. Es war eine durchaus vergnügliche Sache.

Wir planten bei Dämmerung des nächsten Tages auf­zustehen, und die Wettervoraussagen waren gut. Als wir aber aufwachten, fanden wir die Bedingungen schlecht; wir zögerten aber nicht mehr und stiegen am 26. April um 8.45 Uhr atlantischer Zeit oder 7.45 Uhr Eastern Standard Time auf. Auf unserem Rückfluge gerieten wir in Schnee­treiben. Hundert Meilen lang ging es schlecht, es war außer­ordentlich böig, und wir hatten Gegenwind, der uns aufhielt. Während der ersten drei Stunden führten Balchen und ich, dann flogen Balchen und Köhl die nächsten drei Stunden. Nach den ersten zwei Stunden klarte das Wetter auf, dann kam heller Sonnenschein und ausgezeichnete Sicht und wir machten größere Geschwindigkeit. Um zwei Uhr überflogen wir Godbout, Quebec, um drei Uhr Vaches und Murray Bay. Kurz darauf befanden wir uns über Lake St. Agnes und sahen eine große Menschenmenge auf uns am Eise warten; um 3.52 Uhr landeten wir.

Herr Couture und Herr Cannon von der Airways Com­pany und Frau Cuisinier, deren Gast ich zuvor gewesen war, und Fräulein Junkers kamen, uns zu begrüßen. Die Szene war mir vertraut, aber meine Kameraden fanden sie seltsam und die Gesichter waren ihnen neu. Bald aber fühlten wir uns wie zu Hause. Den Abend verbrachten wir in Murray Bay. Da die Unterbringungsmöglichkeiten bei der Airways Company beschränkt waren, hatte man uns ein Haus im Dorfe zur Verfügung gestellt. Ich konnte mich auf ein feines heißes Bad freuen.

Am nächsten Morgen begann unsere Fahrt nach Washington und New York. Der Rest meiner kleinen Er­zählung ist von Hauptmann Köhl und Freiherrn v. Hüne­feld niedergeschrieben worden. Ich aber möchte noch ein paar Meinungen und Eindrücke aufzeichnen, die ich von dieser ersten Ost-West-Überkreuzung des Ozeans gewonnen habe.

Ohne Zweifel wird der transatlantische Luftdienst die bedeutendste Luftstrecke der Zukunft sein, da sie die ameri­kanischen und europäischen Länder verbindet. Viel Pionier­arbeit bleibt zu leisten, auch mit den heutigen Luftfahr­zeugen und Motoren. Solche Flüge sind keine törichten Unternehmungen, wenn sie richtig vorbereitet, alle Gefahren durchdacht und Maßnahmen dagegen getroffen sind. Und diejenigen, die glauben, daß die Ozeanfliegerei niemals als regelmäßiger Dienst der Allgemeinheit nutzbar gemacht wer­den könnte, sollten versuchen, sich frei zu machen von der Vorstellung der heutigen Flugzeuge, Motoren und Strecken­organisation, einen Blick werfen auf den Fortschritt, der in der Entwicklung des Flugwesens in solch kurzer Zeit statt­gefunden hat, und den Versuch machen, sich die Flug­maschinen und Bodenorganisation, die in fünfzehn oder zwanzig Jahren von heute an bestehen werden, zu vergegen­wärtigen. Es werden Flugzeuge gebaut werden, die den rauhesten Stürmen, die je vorkommen können, trotzen, ver­lässigere und wirtschaftlicher arbeitende Motoren werden konstruiert werden, bessere und zuverlässigere Kompasse zur Verfügung stehen. Wirksame richtungfindende drahtlose Apparate von leichtem Gewicht und hoher Reichweite wer­den kommen, eine meteorologische Organisation über den Atlantik wird sich entwickeln. All das ist in Betracht zu ziehen.

Kommt zuerst die Strecke! Die kürzeste ist augenfällig die beste: New York—Neufundland—Irland—London. Die Wetterbedingungen sind hier jedoch um ein geringes schlechter, als normalerweise auf der südlichen Strecke. Wie schon erklärt, werden diese Aufgaben aber mit der Zeit bewältigt. Es wird eine Angelegenheit internationaler Be­sprechungen und Abmachungen sein. Amerika einerseits und England, Frankreich, Deutschland und Irland anderer­seits müssen mit mittelatlantischen Stationen arbeiten. Dazu würden natürlich besondere Schiffe nötig sein, die im Ozean verankert liegen zu dem alleinigen Zweck, meteorologische Angaben zu liefern. Diese Schiffe hätten mit den meteoro­logischen Abteilungen der betreffenden Länder zusammen­zuarbeiten, und die gesammelten Berichte würden jederzeit genaue Nachrichten über die Verhältnisse über dem ganzen Ozean liefern. Ist ein Flugzeug zur Abfahrt bereit, werden dann die Piloten und Navigatoren wissen, welches Wetter sie antreffen, und ihren Kurs entsprechend bestimmen können. Sollten aber heftige Stürme nach der Abfahrt auf­kommen, könnten sie drahtlos verständigt ihren Kurs ändern, um das Unwetter zu umgehen. Auf diese Weise könnte auch der Vorteil helfender Winde ausgenutzt werden. Die Lage der Maschinen wäre zu jeder Zeit durch Anschnei­den von Bodenstationen festzustellen. Dies ist von größter Wichtigkeit; denn bei den bisher vollbrachten Flügen war es nur möglich, die ungefähre Lage und Geschwindigkeit zu bestimmen.

Viel bleibt auch zu tun an der Vervollkommnung der Instrumente und des Kompasses; aber Wissenschaft und Geisteskraft werden diese Probleme bewältigen und immer zuverlässigere und bessere Instrumente schaffen. Seit Alcock und Whitten Brown im Jahre 1919 in ihrer Vickers-Vinny ­Maschine von Neufundland nach Irland geflogen sind, ist schon viel geschehen, was das Ozeanfliegen einfacher und weniger gefahrvoll macht wie damals, als sie ihre großartige Leistung vollbrachten. Auf ihrem Flug durch Nebel und Wolken hatten sie oft keine Ahnung von der Lage ihres Flugzeuges in der Luft im Verhältnis zur Erde. Jetzt aber sind viele nützliche Instrumente eingeführt, die beim Flie­gen durch Nacht und Nebel oder Wolken dem Piloten auf einen Blick zeigen, ob das Flugzeug gerade liegt, in einer Schiefen hängt oder kurvt.

Dann, welche Art von Maschinen wird auf den Strecken der Zukunft benutzt werden? Wenn ich meiner Meinung Aus­druck geben darf, dann möchte ich sagen, daß mehrmotorige Flugboote allein die schwerste See aushalten. Es mag spaßig klingen, aber ich glaube, daß das Ozeanflugboot der Zukunft in Wirklichkeit ein fliegendes Unterseeboot sein wird, eine tödliche Waffe im Kriege, aber auch von un­schätzbarem wirtschaftlichem Nutzen. Es würde die Flü­gel zurückfalten und nicht nur fliegen, sondern über und auf den Wogen dahinfahren können.

Ist heute ein Flugboot für einen Langstrecken- oder Ozeanflug schwer beladen, so ist es eine äußerst schwierige Sache, es infolge der enormen Reibung mit dem Wasser in die Luft zu bringen. Dem kann, wie ich glaube, leicht ab­geholfen werden. Es können besonders leichte Eisenbahn­strecken einige Meilen lang in der Richtung gegen den vor­herrschenden Wind gelegt und das Boot auf ein eigens kon­struiertes Gestell hinter der elektrischen Lokomotive ange­bracht werden. Wenn dann die Lokomotive mit einer Schnelligkeit von etwa 50 Meilen die Stunde dahinfährt, können die Motoren des Flugbootes angestellt werden und es dürfte sich leicht über die Lokomotive hinweg in die Luft schwingen.

Die Frage der Navigation erfordert gleichfalls ernst­hafteste Beachtung. Die Anwendung der Schiffahrts-Navi­gation auf die Flug-Navigation ist unbefriedigend. Die letztere ist eine Technik für sich selbst und sollte vom Standpunkt des Fliegens aus betrachtet und entsprechende Instrumente und Ausrüstung ausgearbeitet werden, um den Erfordernissen in der Luft zu genügen.

Ein anderer nützlicher Punkt, der für sich selbst spricht, kann ziemlich leicht sofort zur Ausführung kommen. Es ist die Auslegung großer, von der Luft aus leicht unterscheid­barer Zeichen neben den Küstenleuchtstationen mit einer klaren Angabe der Längen- und Breitengrade. Leuchttürme sind in der Schiffahrts - Navigation die hauptsächlichsten Anhaltspunkte, aber ihr Wert für den Flieger ist gleich Null. Oben sind die Lichtzeichen nicht zu sehen, aber die Zeichen, die ich vorschlage, wären bei Tage und, beleuchtet, bei Nacht sichtbar. Sie würden dem Piloten genau sagen, wo er sich befindet.

Alles in allem: der Atlantik ist von Osten nach Westen und von Westen nach Osten überflogen worden. Die Pionier­arbeit ist zum großen Teile getan und ein Handelsflugdienst wird sicher kommen Bessere und verschiedenartige Flug­zeuge werden benutzt, verbesserte Instrumente an ihnen an­gebracht, ein genauer Nachrichtendienst wird zur Verfügung stehen und ohne ungewöhnliche Gefahr oder Verzögerung wird der Ozean in beiden Richtungen überquert werden.

Die erste regelmäßige Einrichtung wird nicht dem Passagier-Verkehr, sondern der Postbeförderung dienen. Der Wochenendbrief wird den Nachtbrief von heute ergän­zen und dies und Banktransaktionen, wie andere wichtige Handelsangelegenheiten würden einen Anfang vom Kosten­standpunkt aus zweifellos sicherstellten.

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