Die Rundreise — Philadelphia — Cleveland — Chicago — Milwaukee — St. Louis — Indianapolis — Detroit — Boston —

Albany — Montreal und Quebec

 

Die Tour, die wir durch die Vereinigten Staaten mach­ten, zu schildern, ist schwer und leicht zugleich. Man könnte Bände anfüllen mit den Beschreibungen all der Willkommensgrüße und Festlichkeiten, die uns geboten wurden. Wenn man aber zurückschaut, so merkt man erst, wie arm die menschliche Sprache ist, da sie nicht imstande ist, die in­nersten Seelenregungen zum Ausdruck zu bringen. Regungen der Dankbarkeit und Freude aber waren es in erster Linie, die uns erfüllten. Sollte man versuchen, sie zu Papier zu bringen, so werden sie kalt und nüchtern, als Buchstaben und Worte, nicht zum Herzen gehen, obgleich sie vom Herzen kommen. Was sollen wir herausgreifen aus dem gewaltigen Buch unserer Erinnerungen? Die uns von den Junkerswerken zur Verfügung gestellte Maschine „F 13" trug uns von New York nach Philadelphia, und von diesem Augenblick an begannen für uns die Tage der Unruhe und der Freude zugleich sich zu verstärken. Philadelphias Erinnerungsstätten an die Ge­burt der ersten amerikanischen Flagge, das Grabmal Benja­min Franklins, sind Ruhepunkte im Lärm des Tages. Mayor Harry A. Mackay und sein Komitee waren auch hier die besten Berater und Führer. — Kein Verweilen für den flüch­tig Reisenden. Die Pflicht mit dem ehern festgelegten Pro­gramm ruft weiter.

Clevelands Einwohner waren auf den sonnendurchflute­ten Platz hinausgeströmt, um uns zu bewillkommnen. Die Gaben, die sie uns darreichten, erfüllten uns mit heißem Dank; aber kein Aufenthalt. Schon surrt wieder der Pro­peller. Die Maschine steigt und kurze Zeit später umblitzen uns Gewitterstürme. Der sinkende Abend spendet auch der Natur den Frieden, und die Landung in Chicago wird zu einer neuen spontanen Begrüßungsfeier. — Wer den in dieser Stadt schlagenden Puls zu hören versteht, der empfindet ein Ge­fühl der Bewunderung vor dem hinreißenden werktätigen Eifer, mit dem diese gewaltige Stadt des Westens an sich ar­beitet, um Neues zu Altem zu fügen und wachsend zum Licht empor zu streben. Großzügigkeit ist der Wahlspruch Chicagos, Großzügigkeit ist der Wahlspruch seines Mayors William Hale Thompson. Dieser Hüne mit dem warmen und freund­lichen Herzen führt uns in die Arena. Zehntausende von Menschen füllen die Sitze dieses gigantischen Sportplatzes. Sein Boden ist dem Wasser des Michigansees abgerungen, und kein besserer Platz hätte gefunden werden können, um dem Fremden zu zeigen, was der Wille Chicagos bedeutet und was dieser Wille zu leisten vermag. Das weiße Haupt des Vorsitzenden des Reception Komitee, George F. Getz, taucht auf, es ist mit unseren Erinnerungsbildern an Chi­cago unlösbar verbunden. Daddy Wilhelm hat hier einen Partner gefunden, der mehr das mütterliche als das väter­liche Element darstellt.

Der Blick von Stevens Hotel über den Michigansee zeigt die Schönheiten der Natur — der Blick vom Flugzeug über die Stadt zeigt die gewaltige Arbeit nimmer rastender In­dustrie — doch die Reise geht weiter. Milwaukees Bürger feiern mit uns den Sonntag. Ein Frühlingssonntag, so schön und so leuchtend, wie ihn nurder Mai zu schenken vermag. Mayor Daniel W. Hoan und Gouverneur Zimmermann und C. C. Youngreen, Vorsitzender des Empfangskomitees, sind persönlich auf dem Flugplatz, und durch das Spalier winkender und grüßender Menschen hindurch geht die Parade zum See. Hätte es einen besseren Flecken geben können, um die Herzlichkeit der Begrüßungsreden zu unterstreichen? Keiner von uns glaubt das -. und abends beim Bankett zwei Vorfälle, die besonders bemerkenswert sind: Das Willkommen des Kommandeurs der Amerikanischen Legion, das wieder die verstärkte und neu begründete Kameradschaft so fest und deutlich unterstreicht, daß sich spontan unsere Hände zum festen Druck zusammenfügen. Und der Sohn Theodor Roosevelts redet vom „alten Europa", spricht von dem guten Willen, der in der Welt wachsen soll. Die Worte „Ambassadors of the Good Will" fallen, — diese Worte machen uns stolz und glücklich zugleich. An sie haben wir im Stillen gedacht, als wir auf dem Fluge von Milwaukee nach St. Louis über der City Hall von Springfield als ehrfürchtigen Gruß für das Grabmal Abraham Lincolns die irische und die deutsche Flagge aus der Luft herabfallen ließen

Der strömende Regen, der kurz nach unserer Ankunft auf St. Louis herabrauschte, der die Worte des freundlichen Mayor Victor Miller und die unseren überrauschte, ist ein Zeichen dafür, daß allzuviel Sonne im Herzen den Himmel verstimmen kann. Doch trotz allem Regen stehen die Bürger von St. Louis in den Straßen, bieten sie uns ihr Willkommen dar. Chicago überreichte uns den Stadtschlüssel, klein und zierlich gefügt. St. Louis, die Mutterstadt des „Spirit of St. Louis", des historischen Flugzeuges Charles Lindberghs, gibt uns den gewaltigen Schlüssel zu seinen Toren. Hier wie dort öffnen diese Schlüssel die Tore der Herzen, um sie wieder fest zu verschließen, nachdem sie die Dankbarkeit und die Freundschaft aufgenommen haben.

Ein kurzer Aufenthalt in Indianapolis verlängert sich durch die ungünstigen Wettermeldungen. Den Flug am gleichen Tage fortzusetzen, ist unmöglich. Keine offiziellen Feierlichkeiten, und doch umgibt uns freundliche Fürsorge des Mayors J. L. Duvall und seiner Getreuen. Der nächste Morgen ist hoffnungsvoller.

Detroit hat einen Tag vergeblich gewartet, aber nirgends hat man uns diese Enttäuschung, die wir oder vielmehr das Wetter den wartenden Bürgern bereiten mußten, übel ge­nommen. Mayor John Lodge und mit ihm Mr. Edsel Ford sind die ersten, die uns begrüßen. Der nächste, auf den unsere Augen fallen, ist der Vater unseres Fluges, Professor Hugo Junkers. Schon seit Wochen weilen wir mit ihm zusammen auf amerikanischem Boden, sehen uns flüchtig hier und da, und jedesmal ist die Freude wieder für uns eine besonders große und herzliche, wenn wir mit dem Schöpfer der „Bremen" zusammentreffen. Die Fahrt in die Stadt beginnt. Das Industriezentrum des Westens zeigt sein festtägliches Gesicht. Aber wir dringen weiter ein. — Den neuesten Packardmotor dürfen wir besichtigen, und die Fordwerke geben dem Europäer einen Begriff davon, was dieser gewal­tige „old man" an neuen Ideen geschaffen und verwirklicht hat. Henry Fords Gestalt ist für uns schon fast eine historisch-mythische geworden, so daß man beinahe verwundert dar­über ist, daß er in voller Kraft und jugendlicher Frische einem persönlich gegenübertritt. Lindberghs Geburtsort ver­mittelt uns die Freude, die Mutter des großen Fliegers per­sönlich kennen zu lernen. Dankbar gedenken wir der Stunde, da Lindberghs Onkel, Mayor John Lodge, uns dieser schlich­ten, vornehmen Frau vorstellte. Ist dieser Mann nicht einer der besten Exponenten werktätigen, schaffenden Lebens und kühnen, phantasiereichen Wagens? — Und einem Manne werden wir immer Dankbarkeit und Freundschaft bewahren, der uns in Detroit der beste Kamerad und Freund gewesen ist, den man finden könnte: 'Mr. Edsel Ford. Nie hätten wir einen gütigeren und besseren Führer durch die gewaltige Industriestadt finden können, als in dem Vorsitzenden des Reception Comitees. Sportsgeist und Arbeitskraft vereinen sich in ihm zu einer liebenswerten Persönlichkeit, die un­seren Herzen besonders nahegetreten ist. Brock und Schlee, Stinson, Halderman, Rickenbacher und all die großen ameri­kanischen Flieger treffen wir in dieser Geburtsstätte der amerikanischen Fliegerei. Wie gern würde man bleiben, wie gern würde man tiefer eindringen in all das Interessante und Schöne, das sich hier vor einem auftut. Das Programm geht weiter.

Schon im Zuge, den wir, um die Nacht auszunutzen, ge­wählt hatten, begrüßt uns Mayor Malcolm Nichols von Boston. Neue Feiern, neue Erlebnisse unvergeßlicher Art. Der Gedächtnistag der Gefallenen erweckt alte Erinnerungen und neue Hoffnung. Die Parade der Garnison gestaltet sich zum strahlenden Schauspiel trotz des wieder einsetzenden Regens. Die American Legion ehrt uns mit der höchsten Aus­zeichnung, die sie zu vergeben hat. Gouverneur Fuller heftet uns die Medaille des Staates Massachusetts an die Brust, und was vermögen wir anders zu sagen, als das kleine Wort „Dank". Boston ist die letzte der gewaltigen Städte, die wir auf unserer Tour besuchen können. Aber in unseren Herzen wird sie nicht den letzten Platz einnehmen.

Die Pflicht des Dankes ruft uns nach Kanada. — Gou­verneur Smiths gütige Einladung, den Vielbeschäftigten in Albany zu besuchen, ist uns eine besondere Ehre. In Albany finden wir etwas Ähnliches wie in Washington. Die Tradition des alten Amerika lebt und webt hier und erinnert an das Entstehen des größten Reiches der Welt. Intim und dadurch vielleicht noch herzlicher, wenn es möglich ist, gestalten sich die Empfänge und Feierlichkeiten in Albany. Der Gouverneur des Staates New York, der Mayor der Stadt Albany, ver­wöhnen uns mit ihrer Gastfreundschaft und schreiben ein neues Blatt in das Erinnerungsbuch unseres Herzens. Nacht sinkt herab und ruft in den wartenden Schlafwagen.

Der nächste Morgen findet uns wieder auf kanadischem Boden. — Montreal bietet uns zum zweiten Male das Will­kommen Kanadas. Greenly Island sah das erste. Mayor Camillien Houde ist trotz der frühen Morgenstunde an der Bahn. Und wieder jagen sich die Empfänge, wieder nimmt das Hirn Eindrücke auf, die es dem Herzen zuleitet, da nur dieses sie zu verarbeiten vermag.

Weiter geht der Weg durch die wundervolle Landschaft Kanadas in den Wagen der Canadian National Railroad nach Quebec. Hier sind wir im Herzen der Provinz, die uns zuerst nach unserer Landung auf dem anderen Kontinent Liebe und Gastfreundschaft erwies, wie sie nur dem ursprünglichen Ge­fühl entspringen kann. Von Bergeshügeln herab blicken wir auf diese Natur, die so gewaltig und so schön ist und die so drohend werden kann, wenn Schnee- und Winterstürme sie durchjagen. Unter der Führung von Mayor B. Auger dürfen wir dem Fest der Baumpflanzung beiwohnen, wir selber dürfen Bäume pflanzen, und mit den Wurzeln dieser Bäume graben wir tief in die Erde hinein die Gefühle unserer Dankbarkeit und Liebe. Ein kurzer Tee in dem märchenhaft gelegenen Palais des Lt. Gov. Narcisse Perideau K. C. und am Abend wieder im Bankettsaal. Premierminister Honourable L. A. Taschereau spricht zu uns Worte, die aus dem Herzen kommen und die in unseren Herzen nachklingen. Er rät uns, den Dampferweg für die Rückfahrt zu benutzen. Wir sind dazu gezwungen, denn unsere brave „Bremen" ist schwer beschädigt und nicht mehr flugfähig. Trotz alledem, wenn ein einziger Flug derartige Gefühle der Freundschaft auszu­lösen vermag, wie der unsere, so würden wir nicht anstehen, ihn jederzeit zu wiederholen.

Hier in Quebec schließt unsere Rundreise. In der Provinz Quebec hat sie fast wider unseren Willen begonnen. Kein Wunder, daß die Erinnerung aufsteigt, kein Wunder, daß nach all den Begrüßungen, nach all den Festlichkeiten, die im Kreise deutscher und irischer Vereine ihren Abschluß finden, in uns stark und rein das Wort klingt, das wir bei dem Augenblick unserer Landung empfunden haben:

Dank sei Gott, dem allein die Ehre gebührt

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