NEUE PLÄNE

 

Acht Tage, bevor wir endgültig abfliegen wollten, bekam ich ein Fugzeug vom Typ der „Bremen" zum Einfliegen in die Hand. Wir brachten es von Dessau nach Tempelhof, wo ich mich jeden Morgen in die Maschine setzte und sechs bis sieben Stunden in der Luft blieb. Wir mußten Versuche über die Eigenstabilität, des Fluzeuges anstellen, weil Fachleute behauptet hatten, daßdieser Typ nicht so eigenstabil sei, daßman damit riskante Flüge unternehmen könnte. Nach wenigen Stunden hatten wir unseren Vogel so eingetrimmt, daßwir Hände und Füße von der Steuerung fortnehmen konnten und er halbe Stunden lang ganz allein flog.

Nachdem wir dies erkannt hatten, ging ich an die Lösung des zweiten Problems, das ich mir vor Antritt des Fluges gestellt hatte: die Erlernung des Nebelfluges. Der war damals noch nicht so richtig „erfunden", wir aber brauchten ihn,

wenn wir auf Erfolg rechnen wollten. Bei meiner Nachtflugtätigkeit war ich ihm durch die vielen persönlichen Versuchsflüge schon recht nahegekommen. Ich hatte aber bisher keine Möglichkeit gehabt, diese Kenntnisse auszuwerten.

Von der Firma Askania, die eng mit mir zusammenarbeitete, waren Instrumente entwickelt worden, die nach den Erfahrungen des ersten Ozeanflugversuches noch wesentlich verbessert wurden.

Mit ihrer Hilfe wollten wir des Nebels Herr werden. Wir machten das so, daßder eine Führer aufpassen mußte, damit der Vogel nicht abrutschte, während der andere nur nach den Instrumenten steuerte. Nach wenigen Übungsstunden bereits wurde mir klar, daßes ging, und damit war in der langen Kette der Vorbereitungen auch das letzte Glied endgültig geschlossen. Jetzt hatte ich felsenfestes Vertrauen, daßunser Flug glücken mußte, wenn wir nicht allzu großes Pech dabei hatten.

An einem Sonnabend holten wir die eigentliche „Bremen" nach Tempelhof. Einer der besten Junkers-Ingenieure und zwei tüchtige Monteure bekamen sie in ihre Obhut und machten sie fertig für den weiten Flug. Am Montagmorgen sollte die Maschine startfertig sein. Absichtlich hatten wir uns einen Samstag und Sonntag für die letzten Arbeiten ausgesucht, weil wir hofften, an diesen Tagen nicht so scharf beobachtet zu werden. Als die „Bremen" nämlich nach Berlin kam, stand abends schon in den Zeitungen, daßwir einen neuen Ozeanflug planten. Ich mußte mich zu meinen Vorgesetzten begeben, wo mir erklärt wurde, daßman meinen Flug nicht unterstützen könnte. Auch machte man mich darauf aufmerksam, daßich den dazu notwendigen Urlaub nicht erhalten würde. Dagegen wurde mir die erste Anwartschaft auf die im Bau befindliche „Rohrbach-Romar", ein Flugzeug, das —wie ich wußte —wohl niemals imstande sein würde, den weiten Atlantik zu überfliegen, angeboten, wenn ich vom Ozeanflug zurücktrat.

Als ich dies ablehnte, wollte man wissen, wann wir starten wollten. Da ich merkte, daßes nicht bei dem Abraten bleiben würde, hütete ich mich davor, etwas verlauten zu lassen. Wir hatten unter der Hand erfahren, daßalle deutschen Flugwachen bereits Anweisung hatten, Maschinen mit so schwerer Überladung nicht starten zu lassen. Gemeint war natürlich unsere „Bremen". Bei den langen Unterhaltungen, die ich führen mußte, hatte ich es deshalb darauf angelegt und ganz gut verstanden, unseren Abflugtermin stark zu verschleiern. Ich erklärte, daßwir es genau so machen würden, wie es bisher alle anderen Ozeanflieger auch schon getan hatten, daßwir also auf eine recht schöne Vollmondnacht warten wollten —womöglich bis zum Juni, weil in diesem Monat die Nächte besonders kurz sind.

Das wurde mir auch geglaubt. Als ich dann noch erzählte, daßwir vor dem Start noch den Nebelflug erlernen wollten, hatte man für mich nur noch ein mildes Lächeln. Man wußte, daßich kein richtiger Streckenpilot war und glaubte, daßich sicher Jahre dazu brauchte, bis ich den Nebelflug erlernt hatte. Daher waren wir zunächst in Ruhe gelassen worden.

Am Montagmorgen um sechs Uhr wollten wir starten. Um unsere Absicht zu verschleiern, verschoben wir aber in letzter Stunde diesen Start auf acht Uhr. Die Flugwache in Tempelhof war nämlich daran gewöhnt, daßwir um diese Zeit zu unseren Probeflügen aufstiegen. Mit meinem kleinen Hanomag, dem lustig knatternden Kommißbrot, fuhren wir zum Flugplatz. Hünefeld wurde heimlich in der Maschine versteckt. Ich ging zur Flugwache, trug dort ins Bordbuch ein: „Probeflug nach Dessau", bekam ein paar Stempel ... und dann hauten wir ab —nach Irland, womit wir allen Weiterungen glücklich entflogen waren.

Wir hatten es nicht gewagt, uns eine Wetterberatung für die Strecke nach Irland geben zu lassen, um ja nichts von unseren Absichten zu verraten. Kaum waren wir hinter Hannover, da ballten sich ekelhafte Nebelwolken vor uns auf, die bis auf den Boden reichten. Wir waren wenig erbaut darüber, daßwir jetzt schon mit dem Nebel ringen sollten. Ernsthaft überlegten wir, ob es nicht besser war, kehrtzumachen und nach Dessau zu fliegen, um dort zu warten, bis der Nebel weg war. Ich wußte sehr wohl, daßbald eine Wetterlage kommen mußte, bei der es möglich war, Irland ohne Nebel zu erreichen. Aber beim Weiterflug von dort aus —draußen auf dem Ozean, blieb uns der Nebelflug auf keinen Fall erspart. Wenn wir es uns jetzt nicht zutrauten, im Nebel zu fliegen, wo wir es doch eben erst gelernt hatten, dann würden wir später draußen auf dem Atlantik bestimmt versagen. Darum wollten wir lieber gleich die Probe aufs Exempel machen. Wenn wir sie nicht bestanden, dann war es besser, jetzt schon, solange wir noch über deutschem Boden waren, mit unserer Maschine im Nebel zu zerschellen, als später draußen auf dem Atlantik verschollen zu bleiben.

So stießen wir denn gleich hinein in die dicken Nebelschwaden. In der ersten Viertelstunde herrschte große Angst, daßdie Sache schief gehen könnte. Dann aber merkten wir, daßwir unserer Aufgabe gewachsen waren, zogen in aller Ruhe unsere Maschine durch den Nebel nach oben durch und kamen nach 45 Minuten in 1600 Meter Höhe über der Nebeldecke heraus.

Vor uns, soweit das Auge reichte, ein weißlich wogendes Meer. Wir hatten keine Ahnung, wie weit es sich ausdehnte. Wenn es über Irland wegreichte, wußte ich, daßwir ohne Funkentelegraphie den Flugplatz Baldonnel nicht so leicht auffinden konnten. Ich hoffte aber auf Grund der Kenntnisse der allgemeinen Wetterlage, daßes besser kommen würde. Alle diese Schwierigkeiten waren mir im Grunde gar nicht so unangenehm. Da konnte ich die Navigation über der geschlossenen Wolkendecke erproben, die etwas schwieriger ist als das Entlangrutschen an geraden Eisenbahnstrecken und Flußläufen.

Ich hatte mir für das Fliegen über den Wolken ein recht einfaches Navigationssystem zurechtgelegt. Die Sonne, die links hinten über uns stand, malte rechts vor uns auf das weiße Nebelgewoge den dunklen Schatten unseres Flugzeugs. Und nun flogen wir die ganze Zeit hinter diesem Schatten her. Nur mußten wir bei dieser Art des Navigierens aufpassen, daßder Schatten auch immer in einem ganz bestimmten Winkel zu der rechten Vorderkante unserer Tragfläche blieb. Diesen Winkel hatten uns Astronomen und Seeleute vorher genau errechnet, so daßwir ihn nur entsprechend einsetzen mußten.

Während wir über den Wolken dahinzogen, klingelte in Tempelhof bei der Flugwache das Telephon. Sie bekam Anweisung, unsere Maschine zu beschlagnahmen. Es war beobachtet worden, daßam Sonnabend die eigentliche „Bremen" nach Tempelhof gekommen war und an ihr intensive Vorbereitungen getroffen worden waren, die auf einen sehr baldigen Start zu deuten schienen. Die Meldung lag wohl schon am Sonntag auf den Amtsstuben; in den höheren Regionen wurde sie an diesem Tage aber nicht gelesen, und am Montag wohl auch nicht allzu früh. Als nun die Beschlagnahme ausgesprochen wurde, waren wir bereits hinter allen Wolken verschwunden und schwebten Irland zu.

Nach zwei Stunden änderte sich die Wetterlage. Vor uns türmten sich aus dem Nebelmeer hohe Wolkenberge auf. Schon zehn Minuten später sahen wir unter uns kleine Wolkenlöcher. Ich konnte durch-orientieren und erkannte sofort die zahllosen Kanäle von Holland in der Gegend westlich von Amsterdam. Unsere Navigation war gut gewesen. Wir befanden uns genau an dem Punkt, den ich über den Wolken auf meiner Karte eingezeichnet hatte.

Weitere Experimente wollte ich jetzt nicht mehr machen und nahm den Gashebel zurück. Im Gleitflug ging es durch die Wolken nach unten. In niedrigster Höhe flogen wir bei dickem Nebeldunst entlang der belgischen und französischen Küste. Vor Calais gab ich wieder Vollgas und zog durch den Nebel bis auf 2000 Meter. Jetzt kam der 30 Kilometer breite Kanal. Wir hatten Angst, daßwir schon hier ins Wasser fallen könnten, falls wir zu niedrig flogen.

Aber wenn wir in 2000 Meter Höhe über den Kanal wegzwitscherten, konnte der heimtückische Motor ruhig mitten über dem Kanal  stehenbleiben. Im Gleitflug kamen wir dann immer noch entweder hinüber nach England oder zurück nach Frankreich. Nur mußten wir uns dann schnell entschließen, in welches Land wir wollten.

Der Motor dachte nicht daran, stehenzubleiben. Er brummte wunderbar weiter. Wir blieben noch zwanzig Minuten länger über den Wolken, nachdem ich schon berechnet hatte, daßwir jetzt über England sein mußten. Unter uns zogen die dunkelgrauen Rauch-und Nebelschwaden Londons durch. Das Wetter klärte jetzt auf, brachte Sonnenschein und die herrlichste Fernsicht.

Unter uns zog England durch mit seinen saftig grünen Wiesen, schmucken Ortschaften und rauchigen Industriegebieten. Bald kamen wir in das Bergland von Wales. Dort änderte sich das Wetter wieder. Geschlossene Wolken senkten sich herab auf die 1300 Meter hohen Berggipfel. Nach einem herrlich schönen Flug durch diese kahle, waldlose Gebirgswelt erreichten wir die Irische See. Dort, wo wir nach Irland rüber mußten, ist sie 100 Kilometer breit. Jetzt konnten wir nicht mehr hinter unserem Schatten herfliegen, sondern mußten unsere Navigation auf selbstentwickelten Windfeststellungsmethoden aufbauen. Nach einer halben Stunde hatten wir die Genugtuung, daßauch diese Navigation klappte. Genau zur errechneten Minute kamen wir drüben bei Dublin an, nahmen Kurs auf den Flugplatz Baldonnel, 15 Kilometer südwestlich von Dublin, und landeten dort.

Schon bei unserem ersten Besuch in Irland, ganz besonders aber jetzt, als wir mit unserem schmucken Silbervogel ankamen, wurden wir vom irischen Volke, von allen amtlichen Stellen, vor allem aber von den ritterlichen irischen Fliegeroffizieren mit einer solchen Gastlichkeit und Herzlichkeit empfangen, wie sie in der Heimat nicht besser hätten sein können. Die Iren taten alles, um uns weiterzuhelfen.

Wir wollten schon am nächsten Morgen starten. Zu diesem Zweck hatten wir zwei Junkersmonteure, den guten Weller und Lengerich, acht Tage vorher nach Irland beordert. Auch das notwendige Benzol war bereits zwei Monate vorher nach Baldonnel verfrachtet worden. Es war eben erst auf zwei großen Lastkraftwagen aus Dublin herausgebracht worden, und die Laien, die herumstanden und zusahen, wie die Menge der Fässer von den Wagen herunterrollte, schüttelten den Kopf. Sie konnten es nicht verstehen, wo diese Unmenge Betriebsstoff in der kleinen einmotorigen Maschine verstaut werden sollte.

Aber im Laufe der Nacht verschwand das gesamte Benzol in den vierzehn verschiedenen Tanks, die sich im Innern der Kabine, unter dem Führersitz und in den Flügeln befanden. Unser Vogel, der am Abend leer 1300 Kilogramm wog, hatte im Laufe der Nacht eine Zuladung von über 2500 Kilo bekommen, also fast das Doppelte seines Eigengewichtes. Als die schwer beladene „Bremen" am Morgen zur Startstelle geschoben werden sollte und auf den Rasen hinauskam, sahen wir, daßsie dort bis über die Achsen der Räder im Boden versank.

Seit acht Tagen hatte es drüben in Irland in Strömen geregnet. Der Boden war so weich geworden, daßwir den Start verschieben mußten.

Hünefeld und ich waren sehr ungeduldig. Wir ließen Schlacke anfahren und Dampfwalzen kommen; aber dort, wo die rauchenden Ungetüme die Schlacke in den Boden gepreßt hatten, sahen wir entsetzt, daßer nur noch weicher wurde als an allen anderen Stellen. Wir mußten die Versuche bleiben lassen und abwarten, wenn es uns auch furchtbar schwer fiel. Warten, bis Sonne und Wind den Platz mit natürlicheren und auch billigeren Hilfsmitteln getrocknet hatten.

Auf diese Art verbrachten wir über vierzehn Tage im Fliegerlager von Baldonnel in herzlicher Kameradschaft mit den irischen Offizieren, die uns alle Steine aus dem Wege zu räumen bemüht waren. Vor allem hatte es ihnen unsere „Bremen" angetan, über die sie sich voll Bewunderung und Anerkennung äußerten —und neidlos sprachen sie es uns gegenüber oftmals unumwunden aus, daß—wenn der Ost-West-Flug über den Nordatlantik überhaupt zu schaffen sei —es sicher nur uns Deutschen gelingen würde, den Ozean zu besiegen.

Dieses unbedingte Vertrauen der Iren half uns über manche bange Stunde hinweg, stärkte unser Selbstgefühl und vertrieb die dummen Zweifel, die sich manchmal an uns heranschlichen, denn bald trafen auch die ersten Presseberichte aus Deutschland ein, die sich mit unserem Flug und dem heimlichen Start in Tempelhof beschäftigten. Was wir da alles lesen mußten, war in keiner Weise geeignet, unseren Mut auch nur um ein Fünkchen anzufachen.

Es kamen wieder viele Luftfahrtfachleute zu Worte, die behaupteten, daßwir mit der Maschine, die wir uns ausgesucht hatten, nicht einmal die Hälfte des Betriebsstoffes in die Luft bekommen würden, den wir brauchten, um nach Amerika zu fliegen. Auch sprach man davon, daßich überhaupt nicht fliegen konnte. Hier hatten die Leute eigentlich gar nicht so unrecht. Ich konnte es als alter Kriegsflieger nicht ermöglichen, die uns laut Luftfahrtbestimmungen nicht laut Versailler Vertrag —auferlegten Pflichtlandungen alljährlich zu absolvieren. Das kostet einen Haufen Geld, was ich ebensowenig besaßwie alle die anderen Kriegspiloten. So war natürlich mein Flugzeugführerschein im Rückstand. Ich besaßnicht mehr den amtlichen Befähigungsnachweis zur Führung einer so schweren Maschine wie die „Bremen", und das genügte, um daraus zu folgern, daßich nicht fliegen konnte.

Außerdem erfuhr ich, daßmich die Luft Hansa fristlos entlassen hatte. Ich war darauf vorbereitet gewesen, denn ich hatte mich ja heimlich von Tempelhof weggestohlen. Am letzten Sonnabend bereits beim Fertigmachen der Maschine war mir von einem Bekannten, der gerade von der Direktion kam, vertraulich mitgeteilt worden, daßman beschlossen habe, mich zu entlassen, falls ich wirklich abfliegen sollte. Vorbereitet war ich darauf also wohl, aber als ich die vollendete Tatsache drüben in Irland erfuhr, machte es mich doch recht betreten. Was mußte zu Hause das Peterle wohl von ihrem geächteten Mann denken ?

In diesen bitteren Stunden war es mein lieber Freund Hünefeld, der mit seinem flammenden Dichterwort den sinkenden Mut immer wieder hob. In jenen trostlosen Tagen schrieb er ein wunderschönes Gedicht, dessen Schlußverse aussprachen, wie es uns damals ums Herz war und was uns zu diesem Fluge trieb. Dort hießes:

„Wir wollen nur eins : wie im feldgrauen Kleid Uns die Sonne der Zukunft erstreiten ..."

Dieses Gedicht schickten wir den Verfassern der Artikel und schmähenden Briefe, die uns die Post gebracht hatte.

Während unseres Aufenthaltes in Irland bekamen wir zweimal täglich die notwendigen Wetterberichte vom englischen Air Ministry. Ich mußdankbarst betonen, daßdiese im sportlichsten Geiste abgegeben wurden. Wir waren genötigt, unsere Entschlüsse lediglich auf diesen Meldungen aufzubauen, da die Hamburger Seewetterwarte, die uns im Jahre vorher so ausgiebig mit „auffrischenden westlichen Winden" versorgt hatte, nicht angewiesen worden war, uns Wetterberichte nach Irland zu funken.

Am ersten Morgen nach unserem Eintreffen auf der grünen Insel, als wir starten wollten und ins Kasino kamen, trat der Kommandant des Lagers, Major Fitzmaurice, auf uns zu. Er brachte uns auf einem Karton aufgeklebt ein vierblättriges Kleeblatt und behauptete, daßdies sein Talisman sei, dem er es verdanke, daßer im vergangenen Jahre so glücklich, allerdings auch ein bißchen frühzeitig, wieder nach Irland zurückgekommen war. Er, der jetzt über kein Flugzeug verfügte, mit dem er selbst über den Atlantik fliegen konnte, wollte uns seinen Talisman mitgeben, damit wir auch bestimmt nach Amerika kämen.

Ein paar Tage später boten wir Fitzmaurice einen Platz in unserer Maschine an, damit er seinen Talisman selbst erproben konnte. Der irische Flieger hatte so unbegrenztes Vertrauen zu seinem Glücksbringer und scheinbar auch zu uns Deutschen, daßer sofort zusagte, den Flug mitmachen zu wollen. In der Zwischenzeit hatten Sonne und Wind den Platz abgetrocknet, die Grasnarbe war fester geworden, und wir beschlossen, am 12. April zu starten.

Die letzte Nacht in Irland war nicht gerade die ruhigste meines Lebens. Ich hatte vor Start und Flug doch allerhand Angst. Der Schlaf wollte stundenlang nicht kommen, und als er kam, wurde ich von dunklen Träumen gepeinigt. Ich träumte, wir flögen bereits mitten über dem Atlantik, als plötzlich der Motor stehenblieb und wir runter mußten ... Mit einem fürchterlichen Herzklopfen wachte ich auf. Wie froh war ich, als ich merkte, daßich immer noch in Irland war und friedlich in meinem Bett lag.

Den Offizier vom Dienst, der uns um vier Uhr morgens wecken sollte, hörte ich schon eine Stunde vorher im Lager herumtrampeln. Aber als ich aufgestanden und frisch gewaschen war, verflogen die dunklen Träume sehr rasch.

Wir begaben uns zum Startplatz. Als ich dort nach dem Windwimpel sah, erschrak ich. Er hing schlaff und regungslos hernieder. Völlige Windstille war eingetreten, eine Wetterlage, die drüben in Irland höchstens zweimal im Jahre vorkommt. In ruhigen Stunden hatten wir uns vorgenommen, den Start bei Windstille zu verschieben. Das war aber nicht so einfach, wie wir es uns vorgestellt hatten. Während der Nacht waren viele Neugierige aus Dublin herausgekommen. Der Präsident des Irischen Freistaates stand da, die vielen irischen Würdenträger und der deutsche Generalkonsul. Alles wartete in stummem Schweigen auf den Start. Da brachten wir es nicht übers Herz, alle die lieben Leute wieder nach Hause in die Betten zu schicken, sondern wollten den Start trotz der Windstille wagen.

Allerdings mußten wir 100 Kilo von unserem kostbaren Betriebsstoff wieder ablassen, sonst wären wir nicht in die Luft gekommen.

Ich selbst hatte noch einen anderen Grund, so schnell wie möglich abzufliegen: in drei Tagen wurde ich 40 Jahre alt. Da ich ein Schwabe bin und wir bekanntlich mit 40 gescheit werden sollen, mußte ich machen, daßich vor Eintritt dieses merkwürdigen Zustandes abhaute. Ich konnte ja nicht wissen, ob ich nicht so gescheit würde, daßich überhaupt kehrtmachte und nach Deutschland zurückflog.

So kletterte ich in die „Bremen" und ließden Propeller anwerfen, damit sich der Motor warmlaufen konnte. Bald kam auch Hünefeld, und dann mit zehn Minuten Verspätung Fitzmaurice, der noch unendlich viel zu erledigen gehabt hatte. Wir bremsten den Motor ab. Er lief einwandfrei. Das war mir nicht ganz recht, denn seit einer halben Stunde saßich in der Maschine, dachte nur an die Windstille!

Mein Herzklopfen wurde immer stärker. Wenn der Motor jetzt ordentlich gekotzt hätte, konnten wir den Start verschieben. Aber aussteigen und erklären, die Kerzen seien verrußt —das war leider nicht möglich. Unsere Monteure hätten schon gewußt, bei wem sie die Kerzen auszuwechseln hatten. Wenn wir uns nicht blamieren wollten, mußten wir jetzt starten.

Schnell nahm ich noch einmal die fünf Finger meiner linken Hand hervor, gab Fitzmaurice einen Stoßund zählte ihm die Verrichtungen auf, die er in den nächsten Minuten durchführen sollte. Er sah mir hochinteressiert zu und nickte sehr freundlich, wenn er verstanden hatte. Diese Zeichensprache haben wir auch später über dem Ozean mit bestem Erfolg geübt. Ein Blick noch hinaus zu meinen tüchtigen Monteuren. Ich nickte ihnen freundlich zu, damit sie Vertrauen zu uns faßten, und gab ihnen das Zeichen: „Bremsklötze weg!"

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