Der Zweck des Fluges — Jimmy Walker — Das Empfangs­komitee — Die Presse — Die Polizei — Paraden — BanketteDies und das — In Washington

 

Unsere Rundreise durch die Vereinigten Staaten von Amerika und unser Besuch in Kanada ist schwer in Worten zu beschreiben, die letzten Endes nur noch blasse Schemen bleiben müssen. Bei alledem, was wir auf dieser Reise erlebt haben, sprach in erster Linie das Herz. Gefühle zu schildern, ist und bleibt aber eine mißliche Sache. Man gerät allzuleicht in die Gefahr, sentimental und damit langweilig zu werden. Der Zweck, die wahren Gefühle zu schildern, wird dann erst recht verfehlt und an die Stelle der Dankbarkeit tritt die leere Phrase. Wenigstens anscheinend. Darum wollen wir bei dem Überblick über unser Erleben in den Wochen unseres Aufenthaltes auf dem amerikanischen Kontinent in den folgenden Zeilen möglichst kurz und sach­lich verfahren. Wir glauben, damit am besten der Pflicht und dem Gefühl der tiefen und unauslöschlichen Dankbarkeit nachzukommen, die unsere Herzen erfüllt.

Diese Dankbarkeit empfinden wir nicht nur deshalb, weil man uns mit Freundlichkeiten und Herzlichkeiten überhäuft hat, wir empfinden sie in erster Linie deswegen, weil wir das sichere Gefühl hatten, daß alle die Grüße, all die Will­kommensrufe und alle die Ehrungen, die uns zuteil wurden, weniger uns als unseren Vaterländern, Irland und Deutsch­land, galten. Zwischen diesen Ländern des alten Kontinents, zwischen diesen Ländern des alten Europa und dem ameri­kanischen Kontinent zunächst ein Band neu zu spannen oder ein bereits vorhandenes zu stärken, das war eines der Haupt­bestreben unseres Fluges. Darüber hinaus haben wir gehofft, kürzere Brücken, als sie bisher vorhanden waren. zwischen zwei durch das Wasser getrennte Erdteile schlagen zu dürfen, um dem Gedanken der friedlichen Gemeinschaft von Nation zu Nation und von Staat zu Staat eine gangbare Straße zu bauen. Ist uns diese Hoffnung auch nur zum kleinen Teil er­füllt worden, so werden wir uns außerordentlich glücklich schätzen und weiter in dem Gedanken der gemeinsamen Ar­beit, der Nation werktätige Hilfe zu leisten, bemüht bleiben. Wir haben immer wieder betont, und zwar aus ehrlichstem Herzen heraus betont, daß wir nicht „Helden" sein wollen, sondern Diener einer Idee, die wir und mit uns unzählige an­dere für eine den einzelnen Ländern und Völkern wie der ge­samten Menschheit gleich segensreiche halten.

 

An der Spitze marschiert, wie es nicht anders sein kann, His Honor, the Mayor of New York: Mr. James Walker. Den Bürgern seiner Stadt ist dieser Name weniger vertraut. Sie nennen ihn „Jimmy Walker" und in dieser Bezeichnung, die auch wir uns sehr schnell zu eigen gemacht haben, liegt so gar nicht Liebloses oder etwas, das dem Respekt zuwider wäre. Es zeigt nur, daß die Bürger der größten Stadt der Welt ihren Bürgermeister lieben und ihm vertrauen. Kein Wunder, daß auch wir von dem seltenen Charme und der witzigen Schlagfertigkeit dieses Mannes schon vom ersten Zusammen­treffen im Zuge an fasziniert waren. Denn hinter seinem lebhaften und stets zu satirischen Bemerkungen geneigten Wesen steht überragend groß das lebendige und warm­schlagende Herz.

Mayor Walker, wie sollten wir Ihnen damals den Tag und die Nacht vergessen, da wir Sie noch nicht persönlich kannten, jene Nacht auf dem Mitchel Field in New York. Sie, Mayor Walker, haben an unseren Erfolg geglaubt und mit Ihnen unzählige Bürger der Vereinigten Staaten und des ge­waltigen New York. Schon nach Irland waren Nachrichten zu uns gekommen, die davon erzählten, daß „Jimmy Walker" geäußert habe, die „Bremen" würde seiner Überzeugung nach das Rennen machen. Sie ahnen ja gar nicht, welch eine un­geheure Fülle von Kraft uns dieser Glaube gegeben hat. Schwierigkeiten, die vor dem Finge noch zu überwinden waren, wurden leichter in dem Gedanken überwunden, daß Amerika, daß die Bürger der Städte und Ortschaften in den Vereinigten Staaten uns erwarteten und das Mißlingen des Fluges für unmöglich hielten. Als dann die Nacht auf das Mitchel Field herabsank, jene Nacht, in der wir bereits sicher auf Greenly Island saßen, ohne daß eine Nachricht von uns in die Welt der Kultur hinüberdringen konnte, auch da haben Sie sich nicht entmutigen lassen, sondern Ihrer Überzeugung Ausdruck gegeben, daß der Flug bereits gelungen sei. Worte vermögen die Fülle der Dankbarkeit, die wir schon allein für Sie und Ihre Mitbürger um dieses Glaubens willen im Herzen hegen, nicht zu schildern. Aber dann haben wir Sie persön­lich kennen gelernt! Der Kontakt war vom ersten Augen­blick, glauben wir, vorhanden. Sie, der Sie fröhlichen Charme mit dem Geist des gewaltigen, ständig wechselnden New York zu einem Ganzen vereinen, haben vom ersten Moment an er­raten, daß wir nichts anderes sein wollten, als Leute, die ihr Teil dazu beizutragen bestrebt sind, Vergangenes vergangen sein zu lassen und Neues auf altem, fast vergessenem Grund und Boden aufzubauen. In jeder Ihrer Reden auf den zahl­reichen Banketts, die uns von allen Kreisen der Stadt New York gegeben wurden, bei allen Unterhaltungen im privaten Kreise, haben Sie, der Bürgermeister der größten Stadt der Welt, uns drei Flieger mit wahrer und echter Kamerad­schaftlichkeit behandelt, so daß aus den Kameraden Freunde wurden. Seien Sie versichert, daß wir, wo wir auch hinkommen und wo wir Gelegenheit haben, davon zu sprechen, dieser Haltung gedenken. Sie verkörpern für uns den Geist und die Kraft dieser gigantischen Stadt, in der sich die Be­wohner zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen haben, die unbeschadet ihrer verschiedenen Abstammungen und ihrer verschiedenen Traditionen eine Einheit geworden ist. Darüber hinaus aber bleiben Sie in unserem Herzen „The best fellow oft the world". Mehr können wir Ihnen nicht sagen und mehr wollen wir Ihnen auch nicht sagen; es gibt Dinge, die durch den allzulauten Ausdruck der Worte nur verlieren. Dazu gehört das Gefühl, das die „Bremen"-Crew im Innern ihres Herzens für „Jimmy Walker" von New York trägt.

Jeder Körper muß ein Haupt haben. Jedes Komitee be­darf deswegen eines Vorsitzenden. Welcher Besucher, der in offizieller Mission kommt, kennt nicht den Namen Grover Whalen? Es dürfte keinen Menschen geben, der in den letzten Jahren New York nicht als Privatmann besuchte, der nicht von diesem Manne Freundlichkeit empfangen hätte, die über das Maß der Alltäglichen soweit hinausgegangen, wie die Wolkenkratzer sich über die niedersächsischen Bauern­hütten erheben. Immer „a quatre epingles" gekleidet, die Blume oder ein diskretes Ordensband im Knopfloch, tritt er dem Fremden entgegen, der ihm gegenüber bald kein Fremder mehr ist. Denn seltsam: So korrekt das Äußere dieses Mannes gleichsam die Vertraulichkeit fernhält und offizielle Höflich­keit zu erfordern scheint, so sehr nimmt die Wärme des Ge­fühles und die immer gleichbleibende Hilfsbereitschaft Grover Whalens jeden Zwang von dem Besucher. Wir haben ihn unseren „Daddy" genannt. Denn Fährnisse über Fähr­nisse harrten auf uns. Sie waren lediglich freundlicher Natur, aber der Ansturm von so viel warmer Herzlichkeit und Freundlichkeit will auch richtig eingeteilt entgegengenom­men werden. Diese Einteilung vorzunehmen ist Grover Whalen die geeignete Persönlichkeit. Er lenkt den Strom in die richtigen Bahnen, er dämmt das Uferlose, ohne daß es seine elementare Kraft verliert, ein. Bei Tag wie bei Nacht. Wann Grover Whalen eigentlich schläft, haben wir nicht er­fahren. Er erscheint abends im tadellosen Abendanzug, sorgt dafür, daß man rechtzeitig zur Ruhe kommt, und wenn man am nächsten Morgen ausgeschlafen aufwacht, erfährt man, daß Grover Whalen bereits wieder eine Arbeit hinter sich hat, die ein gutes Tagewerk genannt werden kann. Aber man sieht ihm nichts davon an. Er lächelt und zeigt seine tadel­losen weißen Zähne bei seinem Lächeln.

Gewiß: Das Mayor's Komitee nimmt ihm einen Teil der Arbeit ab; unvergeßlich die Namen: George Mand, Leo­pold Philipp und T. B. Malone, Christy Bohnsack und Major „Bill" Deegan. Alle scheinen sich an dem Vorsitzenden ein Beispiel nehmen zu wollen. Immer gleich herzlich, immer gleich liebenswürdig und immer gleich gewandt, umsorgen sie den Gast, der sich nicht mehr als Gast, sondern als Hei­mischer am häuslichen Herd fühlt. Die Fäden aber laufen hei „Daddy Whalen" zusammen und werden bei ihm zu­sammenlaufen, wenn der Name „Bremen" und seine Be­satzung längst vergessen sein werden.

Über Presse zu schreiben, ist ein heikles Thema. Über die amerikanische Presse vollends zu schreiben, ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Diese Presse ist gewaltig, aber unerhört diszipliniert. Sie besitzt den Takt des Welt­mannes und vereint mit diesem Takt den jagenden Impuls des Landes. Sie ist überall vorhanden, wo es Dinge gibt, gibt, die für sie von Interesse sind, aber sie wird trotzdem nie aufdringlich. Sie weiß ein Interview herbeizuzaubern, ohne daß man es merkt, und selbst die Bilder, die sie aufnehmen läßt oder aufnimmt, entbehren des Zwanges, den der zünftige Photograph so leicht auf das Objekt seiner Kamera ausübt. Und noch eins! Diese Presse ist sensibel, sie sieht und notiert nicht nur Tatsachen, sondern sie sieht auch Regungen des Gemütes und des Herzens und deutet diese Regungen richtig aus. Mehr zu sagen Wäre Anmaßung. Mehr zu denken wäre überflüssig. Die Presse von New York kann unserer Dank­barkeit gewiß bleiben.

Die Straße! Sie ist das Herz der Stadt und dieses Herz hat für uns gesprochen. Wir haben die Schneestürme von Labrador und Greenly Island erlebt. Nach diesen Schnee­stürmen des Himmels waren die Schneestürme, die uns in den Straßen New Yorks umbrausten, ein neues Erlebnis. Gibt es so unendlich viel Papier in der Welt, daß eine Zehnmillionenstadt aus den gewaltigsten Häusern, die die Arbeit trägt, Fetzen um Fetzen auf uns hinabschneien lassen konnte? Wir hätten es vorher niemals geglaubt, aber es war Tatsache. Man spricht von phantastischen Summen, die die Straßenreinigung nach jedem Einzug von Leuten kostet, die sich der Sympathien der New-Yorker Bevölkerung erfreuen. Wer in Europa über diese Summe liest, murmelt das Wort „Übertreibung", wer selbst mitten in diesem Schneesturm ge­standen hat, möchte die Summe noch für zu niedrig ver­anschlagt finden.

Was bedeutet das Heulen der Ozeanwinde gegenüber dem Heulen der Dampfersirenen, die uns am Hudson be­grüßten. Hat der Atlantik mehr Wasser, als aus den Spritzen der Feuerwehrboote zum Himmel geschleudert wurde? Wir wissen es nicht, wir waren überwältigt, wir waren erstarrt! Gibt es soviel Händedrucke, wie wir sie freudigen und be­wegten Herzens austeilen durften? Auch davon hatten wir vorher keine Ahnung. Erst die Erfahrung mußte uns lehren, zu wissen, was es bedeutet, das Herz einer Weltstadt ge­wonnen zu haben. Was uns am glücklichsten machte? Daß es keinen Unterschied des Standes, keinen Unterschied der ursprünglichen Abstammung bei diesem Willkommen gab, dessen Herzlichkeit wir nie in unserem Leben vergessen werden. Die Bürger New Yorks sprachen in diesem Schnee­sturm in diesem Geheule der Autohupen, in diesen jubelnden Zurufen zu uns! Wir haben ihre Stimme vernommen und

wenn der Einzelne auch nicht gegenüber der Menge sich ver­ständlich machen kann: New York scheint zu fühlen, daß der Widerhall der Begrüßung in unseren Herzen ein gewaltiger und nachhaltiger war.

Die Polizei New Yorks ist so bewunderungswürdig, daß man besser über sie gar nichts schreibt. Sie ist aber nicht nur bewunderungswürdig, sie ist auch freundlich, und das verdient festgehalten zu werden. Man hört sie auf den Straßen, die sie mit heulenden Sirenen durchfahren, nur wenn es unbedingt notwendig ist, damit der gewaltige Ver­kehr einen Augenblick stoppt, um die Polizei und ihre Schütz finge durchzulassen. Sonst tritt sie in den Hintergrund, ob­gleich man die hochgewachsenen Gestalten schwer über­sehen kann. Und auch das ist gut. Denn man kann in Fällen, da man Rat und Hilfe braucht, sofort sehen, wo sich ein New Yorker Polizist aufhält, und man kann sicher sein, von ihm freundlich und richtig beraten zu werden. Uns er­scheinen diese Polizisten besonders vertraut, sind sie doch der Abstammung nach meist aus Fitzmaurices Vaterland. Wir haben mit ehrlicher Bewunderung gesehen, wie sie ihres schwierigen Amtes walteten, und aus diesem stillen Betrach­ten haben wir gelernt, daß es nur einer derartig geschulten und taktvollen Polizeitruppe möglich ist, den ständig leben­digen und wechselnden Verkehr in einer Stadt wie New York reibungslos aufrecht zu erhalten. Das hervorstehendste Charaktermerkmal scheint uns die immer gute Laune und der urwüchsige gesunde Humor dieser Riesengestalten zu sein. Der Händedruck eines New-Yorker Polizisten zermalmt dem freundlich Begrüßten beinahe die rechte Hand. Die Er­innerung bleibt also für Wochen bestehen, obgleich es eines solchen deutlichen Hinweises kaum bedürfte; denn wir wer­den die New-Yorker Polizei ohnehin nicht vergessen; ihr Bild wird mit einem stillen Glorienschein umrahmt in un­serer Erinnerung bleiben.

Soldaten über Soldaten. Demjenigen, der selber den bunten Rock getragen hat und noch trägt, geht das Herz auf. Im Militär verkörpert sich nun einmal die äußere Macht und der Wille zur Verteidigung des Bodens eines ganzen Volkes. Die Parade der New-Yorker Truppen hat uns überwältigt ­sie hat uns gleichzeitig ergriffen.

Vor dem Beginn dieser gewaltigen Schau waren wir an das „Ewige Licht" getreten, um dem Andenken derer, die für ihr Vaterland gefallen sind, unsere Huldigung darzubringen. Fitzmaurice hat Seite an Seite im Kriege mit der diesseitigen Wehrmacht gefochten. Wir jenseits der Schützengräben. In diesem Augenblick einte uns ein einziger Gedanke. Der Glaube an die eigene Heimat und die Liebe zum Vaterlande! Jene Gefallenen starben für ihren Glauben, wie die Gefallenen aller Länder und Völker für die Überzeugung, die sie hegten und verteidigten, gefallen sind. Dieser Gedanke überragt alles Scheidende und alles Trennende. Wo ein ehrlicher Wille und eine heilige Überzeugung vorhanden ist, bestehen bessere Möglichkeiten zu einem Friedensschluß auf einer fairen Basis, als da, wo Ränke und List ihre Arbeit zu tun ver­suchen. Der Soldat achtet auch im Gegner die Tapferkeit. Die letzte Konsequenz des Mutes ist der Tod; ehrfürchtig neigen sich Freund und Gegner vor dem Bilde der toten Soldaten.

Doch nach dem Tode das blühende Leben. Wehende Fahnen und rauschende Musik. Das Leben siegt über den Tod, — Amerikas und New Yorks Militär zieht vorüber. Laßt euch heute noch im Geiste die Hände drücken, ihr Kamera­den auf dem anderen Kontinent. Eure Ehrung berührte das Herz derjenigen, die selber Waffen trugen oder tragen. Eure Ehrung bildet aber vielleicht ein festeres Band zum Ver­ständnis, zum wahrhaften Frieden zwischen den Völkern, als es demjenigen, der die Psyche der Soldaten nicht kennt, möglich erscheinen mag.

Die Bankette waren unendlich zahlreich. Sie waren außerordentlich gut. Es wurden Reden gehalten, die weit über den Durchschnitt des Täglichen hinausgingen und die uns zeigten, daß man unser Beginnen in den Vereinigten Staaten verstanden hatte. Das machte uns glücklich, un­endlich glücklich. Nie hatten wir vorher eine Veranstaltung mitgemacht, deren Größe und Bedeutung so in die Augen sprang, wie das Bankett, das uns vom Mayor's Komitee ge­geben wurde. Anschließend Empfang über Empfang, Hände­druck über Händedruck. Wenn wir zurückblicken, so müssen wir uns, trotzdem die einzelnen Persönlichkeiten klar her­vortreten, an die Liste derjenigen Körperschaften und Ver­eine halten, die uns mit einem Essen ehrten. Sie mögen folgen, damit der Leser dieses Buches einen schwachen Be­griff davon bekommt, was uns in New York an Freundlich­keiten erwiesen worden ist und damit er auch gleichzeitig sieht, wie die Anforderungen waren, die an unseren Magen gestellt worden sind:

Festessen der Stadt New York, New York Merchant Association, Board of Trade for German-American Com­merce, Catholic Club of the City of N. Y., Festessen an Bord des Dampfers „Columbus", des Advertising Clubs, der Electro­lux Gesellschaft, Festessen gegeben vom Irish Trade Com­missioner Lindsay Crawford, — Abschiedsessen an Bord des Lloyd-Dampfers „Columbus" für die Presse und das Mayor's Komitee, Luncheon der American Arbitration Association, Catholic Actors Guild.

Die einzelnen Reden zu erwähnen, wäre ein Ding der Unmöglichkeit, da die Mannigfaltigkeit der Personen, die Verschiedenheiten der Themen, die doch wieder in dem einen, dem Wunsch nach dem „guten Willen" gipfelten, zu groß wären, und auch hier möge nur eine Aufzählung von einigen Namen folgen: Mayor James J. Walker, Grover Whalen, Major General William N. Haskell, Herbert Hoover, Eugen Henningson, Prof. William R. Shepheard, Willis Booth, Lucius B. Eastman, Schwedischer Generalkonsul Olaf H. Lamm, Dr. Alfredo Pirelli, H. Sehuengel, Victor Ridder, Irish Trade Commissioner Lindsay Crawford, Sir Charles Higham, Gilbert T. Hodges, Konsul Dr. Haeuser, Richard Washburn Child, Judge O'Brien, Gustaf Sahlin, Harry F. Guggenheim, John Crosby.

Diese Reden sind nicht nur gehalten und geschrieben worden — diese Reden sind dank der Kraft der Gefühle, die hinter ihnen standen, tief in unsere Herzen eingegraben. Wir haben sie mit hinübergenommen nach dem alten Europa, und sie werden genannt und gerühmt werden, solange wir die Möglichkeit haben, selbst zu sprechen und selbst zu reden.

Wie wir in New York wohnten? Vornehmer als die Fürsten. Das Hotel „Ritz Carlton" hatte uns Räume zur Ver­fügung gestellt, wie sie Staatsoberhäuptern und ganz großen Männern zukommen. Wir sind keines von beiden, aber wir haben uns trotzdem außerordentlich wohl gefühlt. Wie sollte man das auch nicht, wenn man schon die hünenhafte Ge­stalt des Herrn Keller sieht, dessen freundliches Lächeln von väterlicher Güte erstrahlt, — und mit ihm seinen Stab. Jeder Einzelne bemühte sich, uns das Leben angenehm zu gestalten. Warum? Wir können nur immer wieder betonen, daß wir das Bewußtsein haben, über Gebühr gefeiert worden zu sein. Man fliegt eben mal von Baldonnel nach Greenly Island. Eigentlich sollte es ja New York werden -- das war wenig­stens erwartet worden. Wir hatten uns kein bestimmtes Ziel gesetzt, wir wollten zum neuen Kontinent. Aber New York hatte uns erwartet. Mein letztes Wort vor dem Start „Machet Field oder der Himmel", das eine freundliche Arabeske sein sollte, war bekannt geworden und trotzdem waren uns die New-Yorker nicht böse, daß es später weder der Himmel noch Mitchel Field wurde. Beim Bankett der Stadt New York meinte Mayor Walker, er würde den Himmel vorziehen. Wir bevorzugen im allgemeinen Mitchel Field, obgleich wir es nie gesehen haben; denn das ist eines der seltsamsten Dinge, die uns auf unserer Reise passiert sind: Mitchel Field hatte sich zum feierlichen Empfang gerüstet, alle Welt sprach von Mitchel Field, und wir haben nur von den Flugplätzen der Stadt New York Curtiss Field kennengelernt. Aber auch dieser Flugplatz gibt schon einen Begriff davon, was die gut geleiteten Plätze der Stadt New York zu bieten vermögen. Aus diesem Grunde haben wir mit besonderer Freude noch kurz vor unserer Abreise gehört, daß die Oberleitung über sämtliche Flugplätze New Yorks den bewährten Händen Clarence Chamberlins übertragen worden ist. Er, den wir alle von Europa kannten, dessen Name drüben ebenso reichlich verehrt wird, wie er hier gefeiert ist, gehört für die internationalen Begriffe zu den ganz großen „Kanonen" der Fliegerei. Die Sorgen der Stadtverwaltung von New York liegen uns Gott sei Dank fern — es ist vielleicht anmaßend, wenn wir uns ein Urteil erlauben wollen — trotzdem: Die Wahl Clarence Chamberlins erscheint uns eine ganz besonders glückliche.

Was keiner von uns je zuvor geahnt hat, wurde in New York Wirklichkeit. Wir sind im Boxring aufgetreten. Leider konnten wir aktiv in die Kämpfe nicht eingreifen. Das schien aber auch gar nicht von uns verlangt zu werden. Wir wurden nur dem Publikum gezeigt und fühlten uns unendlich stolz. Sport bleibt Sport. Anhänger der verschiedenen Sportzweige verstehen sich auf den ersten Blick. Deswegen war wohl auch die Begrüßung im Boxring besonders herzlich.

Und die Theater! Wir haben in Theatern Vorstellungen gesehen, und wir haben von Bühnen herab gesprochen. Fitzmaurice in fließendem, Köhl und ich in schlechtem Englisch. Aber das Publikum verstand uns — es verstand vor allem den Willen, der hinter den Ansprachen stand. Wenn Mayor Walker in eigener Person dazu auf der Bühne erscheint, um die Besucher einzuführen, dann ist der Erfolg des Abends gesichert. Auch diese Erlebnisse bereicherten uns. Und dann kam die Stunde, da jeder an die eigene Heimat mit besonderer Wärme erinnert wurde. In den irischen und in den deutschen Gesellschaften und Vereinen wurden der „Bremen"-Crew so viele Beweise dafür gegeben, daß diejenigen Bürger der Vereinigten Staaten, die aus Europa stammen, die Länder ihrer Geburt nicht vergessen haben, daß uns das Herz dabei aufging. Jeder Einzelne versuchte uns zu zeigen, wie sehr er noch an der alten Hei­mat hängt, und jeder Einzelne hat uns damit eine tiefe und nachhaltige Freude bereitet.

Man hat aus den Kreisen des Publikums und in den Zeitungen davon gesprochen, daß wir von der Fülle des Gebotenen erschöpft und übermüdet wären. Das stimmt nur bis zu einem gewissen Grade. Die Freude, so viel Schönes sehen und vor allen Dingen erleben zu dürfen. die Freude, verstanden zu sein, schlug jede Müdigkeit sofort nieder. Freude kann nicht ermüden und Glück kann nicht erschöpfen. Glück und Freude haben diese New Yorker Tage uns aber im Übermaße geschenkt. Die höchste Ehre, die einem amerikanischen Bürger wie einem Ausländer erwiesen werden kann, haben wir erfah­ren. In Washington durften wir dem Präsidenten der Ver­einigten Staaten gegenübertreten und im „Weißen Hause" aus seiner Hand die höchste Auszeichnung, die Amerika für Leistungen auf fliegerischem Gebiet zu vergeben hat, ent­gegennehmen. Ist New York die Stadt des Werdens und des modernen Lebens, so spricht aus Washingtons Straßen und Monumenten der Geist stiller vornehmer Zurückgezo­genheit. Hier redet die Sprache der Vergangenheit. Die Geschichte dieses Landes erwacht. Die Tradition des amerikanischen Volkes ist in dieser Bundeshauptstadt zu­sammengefaßt und in einem wundervollen Band gebunden.

Hatten wir schon am Denkmal des großen Vaters der amerikanischen Nation, zu den Füßen des Standbildes von

George Washington in der Wall Street zu New York, das Gefühl dafür bekommen, was es heißt, aus kleinem Anfang heraus mit starker Hand und mit heißem Herzen die Führung eines wachsenden Volkes zu übernehmen, so wurde diese Ehrfurcht vor der Geschichte des Landes in Washington, der Stadt, die seinen Namen trägt, noch verstärkt. Als Urbild der Liebe zum Lande, als Symbol der Kraft und Macht ragt die gigantische Kuppel des Kapitols, nachts taghell erleuchtet, zum Himmel. Am 'Tage aber weisen die Obelisken nach oben und deuten den Weg an, den die Nation geschritten ist.

Doch nicht die Vergangenheit allein lebt und wacht in Washingtons Mauern. Im Senat und im Kongreß durften wir sonst für Nichtmitglieder verbotenen Boden betreten, durften wir die Hände der Männer und Frauen schütteln, die heute die Gesetze und Institutionen der Vereinigten Staaten schaffen.

Wer Präsident Coolidge in seiner vornehmen und schlichten Güte inmitten der Räume des Weißen Hauses gesehen hat, die bewußt an den Beginn des heute so unendlich mächtigen Staatsgebildes erinnern, der wird diesen Eindruck nicht so leicht vergessen. Eine besondere Bedeutung erhielt die Feier, in der wir die Auszeichnung des Fliegerkreuzes entgegennehmen durften, dadurch, daß sie nicht in abgegrenzten Bäumen, sondern unter Gottes freiem Himmel stattfand. Strahlender, heller Sonnenschein leuchtete auf die im ersten Frühlingsgrün blitzenden Räume des Parkes herab. In durch nichts zu beirrendem Rechtsgefühl waren Gesetze geändert worden, deren ursprüngliche Fassung die Verleihung der Kreuze an uns verboten hatte. Und der Himmel selbst schien zu diesem Entschluß durch den leuchtenden Sonnenschein seine Zustimmung zu geben. Das Zeremoniell des Weißen Hauses wirkt ehrfurchtgebietend. So schlicht und so einfach es an und für sich sein mag, durch die Korrektheit und durch die innere Bewegung, wie die Bedeutung des Ortes wächst es ohne jede An­strengung über das Alltägliche hinaus. Die Vollführung des Willens eines Hundertmillionen-Volkes, dessen Stimme in der Welt nie überhört werden kann, gibt unwillkürlich die Bedeutung auch im Äußeren, und diese Stimme hat für uns gesprochen. Durch diese Tatsache allein wäre dem Tage in Washington ein besonderer Stempel aufgedrückt worden. Irgendwo aber gingen selbst durch den lichtüberfluteten Garten die Schatten alter Zeiten. Irgendwo sah man die Gestalt des General Steuben in gepuderter Perücke die Büsche entlang wandeln, irgendwo flüsterten Stimmen, die kaum hörbar zu sein schienen, die Namen der großen Ver­gangenheit: Lincoln, Grant, Karl Schurz.

Vor diesen Stimmen verstummen die Geräusche des hastenden Lebens, versank das Knattern der Motoren in nichts. Vergangenheit und Gegenwart reichten sich die Hand und schlossen das Bündnis für die Zukunft. Möge der strahlende Himmel Washingtons dieser Tage ewig über die­sem Bündnis leuchten!

Wer dann auf dem Militär-Flugplatz, wie wir, die erste persönliche Begegnung mit Lindbergh haben konnte, der bekommt einen Begriff davon, daß die Geschichte dieses Landes auch in Hunderten von Jahren nicht abgeschlossen sein wird.

Ein seltsamer Augenblick: Staatssekretär Kellogg spricht zu uns von den Fortschritten der Kultur, von den Segnungen des Friedens und dem Willen zum Verständnis der Völker untereinander. Wie um diese Worte zu unter­streichen, um ihnen einen besseren Rahmen und eine stär­kere Resonanz zu geben, surren über unseren Häuptern die Propeller, jagen die Flugzeuge um den Platz. Im Hintergrund bildet die Menge Spalier, steht die Luftkraft Amerikas bereit, für neue Ziele zu kämpfen und zu streiten.

Einer der größten lebenden Sportsleute und Forscher zu­gleich, Fridtjof Nansen, hat, während wir auf amerikanschem Boden weilten, das Wort gesprochen: „er wolle nicht an den Frieden denken, sondern für den Frieden kämpfen". Wie schön sind diese Worte aus dem Munde eines alten Kämpfers und Streiters, dessen Name in der ganzen Welt mit Ehrfurcht und Bewunderung genannt wird. Fridijof Nansen, der Streiter für den Frieden, ist stets ein Kämpfer für den gerechten Frieden gewesen. Und Abraham Lincoln, einer der größten Söhne Amerikas, einer derjenigen Männer, vor dessen Andenken sich die Herzen des Volkes in lieben­dem Vertrauen noch heute beugen, Abraham Lincoln, vor dessen Erinnerungsstätte wir in Washington traten, — hat er nicht das beste Beispiel dafür gegeben, was es heißt, einen Krieg zu führen, der schmerzlich und blutig zugleich ist, und dann einen Frieden zu machen, der die ehemaligen Gegner versöhnte, weil er ein Frieden der Freundschaft und Gerechtigkeit zugleich ist?

Washington regt zum Denken an. New York zum Handeln. Nur wo diese beiden Dinge sich vereinen, kann denkendes und zielbewußtes Handeln entstehen. Der Ruhe­punkt in dem Hasten und Treiben der neuen Zeit ist diese Stadt der Erinnerung. Gleichzeitig aber strahlen von ihm aus die Impulse, deren Regungen an den entferntesten En­den der Vereinigten Staaten zu spüren sind. Herz und Hirn zugleich schien uns diese Stadt zu sein, die den Sitz der amerikanischen Regierung beherbergt.

Nie werden wir uns an Washington erinnern können, ohne des ersten trüben Regentages zu gedenken, den wir nach unserer Landung in diesen Mauern verbrachten. Kein fest­licher Empfang, keine Paraden oder Feierlichkeiten. Wohl begrüßten uns freundliche Rufe von den Seiten derer, die uns erkannten, aber der Zweck unseres Besuches war ernsterem Gedenken gewidmet. Wir traten an das noch frische Grab Floyd Bennetts, jenes Mannes, der durch uns und für uns gestorben war. Leise legten wir die Blumen, leise legten wir die Fahnen unserer Vaterländer, die uns auf unserem Flug von Ost nach West begleitet hatten, auf den kleinen Hügel. Worte vermögen es nicht auszusprechen, was wir in unserem Innern in diesem Augenblick erlebten. Der Name Floyd Bennett und sein Gedächtnis wird in uns wach bleiben als der Name des Mannes, der durch seinen Tod ein lebendiger Zeuge für den Geist der brüderlichen und christlichen Hilfe geworden ist. Als ein besonders köst­liches Andenken aber wird jeder von uns die Zeilen be­wahren, die seine tapfere Witwe uns als Ausdruck des Dankes für die Ehrung ihres verstorbenen Gatten geschrie­ben hat. Im Schatten George Washingtons wuchs das Ge­fühl in diesen Tagen und Stunden für das Einsetzen des Bruders für den Bruder. Floyd Bennetts Grab kann nur in Washington sein. So schließt sich der Ring langsam zur Erfüllung.

Sollen wir über die Empfänge auch in dieser Stadt schreiben? Wir haben an einem Tage 6000 Hände gedrückt, — mehr zu sagen erübrigt sich wohl nach der Feststellung dieser Tatsache.

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